In den glänzenden Reichen des ewigen Himmels
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Im Rahmen des von Federico da Montefeltro (1422–1482) in Auftrag gegebenen Umbauprojekts seiner Residenz entstanden in Urbino in den 1470er Jahren zwei kleine Räume, deren genaue Bestimmung oft kontrovers diskutiert worden ist: die als Hofkapelle fungierende Cappella del Perdono und der angrenzende Tempietto delle Muse, der nur allegorisch als ‚Schrein’ angesprochen wurde. Als architektonisch wie ideell aneinander angeglichenes Raumpaar sollte der hier realisierte Entwurf eines christlichen neben einem nominell paganen Sakralraum einmalig bleiben. Nicht nur das Nebeneinander, sondern auch die Form und Ausstattung der beiden einzelnen Schreine sind so außergewöhnlich wie die Persönlichkeit ihres Bauherrn, des Herzogs von Urbino. Dessen gekonnter Selbstinszenierung hat die Forschung in jüngster Zeit zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt. Im Lichte neuerer Erkenntnisse wird das im privaten Teil seines Herzogspalastes liegende Raumpaar in dieser Arbeit erstmals einer vom Objekt ausgehenden monographischen Untersuchung unterzogen. Ein Hauptaugenmerk gilt dabei der bisher vernachlässigten Kapelle – dem herausragenden Beispiel eines fast vollkommen unfigurativ gestalteten, mit vielfarbigem Breccienmarmor dekorierten Sakralraums. Er regt dazu an, paradigmatisch der Frage nach einer über die ästhetische Bedeutung des Natursteins hinausweisenden Semantik des Materials nachzugehen und diese ideell aus der Tradition polychromer Wandverkleidungen zu deuten. Vergleichbares gilt für die im Nebenraum ehemals durch Tafelbilder aufgerufene Tradition des Musenkults, die im Kontext humanistischer Rhetorik und Dichtungstheorie analysiert wird. Von grundsätzlichen Fragen ausgehend werden mithin die Funktionen der Cappella und des Tempietto unter Berücksichtigung der Bautradition rekonstruiert. Dabei lässt sich ihre Idee direkt auf spätantike und frühchristliche Theorien und Praktiken zurückführen; es handelt sich also im wörtlichen Sinne um Entwürfe all’antica. Die gebaute Wirklichkeit sollte nobilitieren: Devotion und Geistesadel des erfolgreichen Söldnerführers Federico da Montefeltro betonen und damit seine Herrschaft als Adoptivsohn des ehemaligen Landesherrn legitimieren.