Der Richter als Verfassungsgeber?
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Im modernen Konstitutionalismus gilt die geschriebene Verfassung als Garantin der tragenden Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat. Sie ist Grundlage und Angelpunkt jeder weiteren Ausgestaltung und Erkenntnis des Rechts. Aufgrund dieser überragenden Bedeutung wird Verfassungsrecht regelmässig nur in qualifizierten Verfahren der Gesetzgebung erlassen. Dieser unbestrittenen Ordnung steht die Wahrnehmung gegenüber, dass in der Rechtswirklichkeit Verfassungen nicht nur auf formellem Wege, sondern auch durch die Rechtsprechung der höchsten Gerichte gestaltend geformt und weitergebildet werden. Diese im kontinentaleuropäischen Raum wenig beachtete Komponente der Verfassungsentwicklung in Form konstitutionellen Richterrechts ist Gegenstand der vorliegenden Habilitationsschrift. Im ersten Teil wird das Phänomen Richterrecht im Rahmen der Grundrechtsjudikatur der Schweiz, Deutschlands und der europäischen Gerichtsbarkeiten (EGMR, EuGH) exemplarisch dargestellt und analysiert. Konstitutionelles Richterrecht erweist sich dabei substantiell als normativer Mehrwert, der den Normbestand der jeweiligen Verfassungsordnungen erweitert und mit Blick auf Wandlungen der Wirklichkeit aktualisiert. Im zweiten Teil wird kritisch nach rechtsstaatlicher Zuordnung und demokratischer Legitimität von konstitutionellem Richterrecht gefragt. Antworten werden im Lichte des verfassungsmässigen Auftrags der höchsten Gerichte zur Verfassungsrechtspflege und am Massstab elementarer Grundsätze der Verfassung selbst gewonnen. Die Untersuchung verfolgt das Ziel, sowohl Möglichkeit und Unentbehrlichkeit, als auch Grenzen richterlicher Verfassungsfortbildung aufzuzeigen.