Wider den Nationalismus - oder von den Schwierigkeiten eines interkulturellen Lebens
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Der Nationalismus hat zwar mit dem II. Weltkrieg in Europa seinen Höhepunkt und seine totale Katastrophe erlebt, die den Weg zur Europäischen Union eingeleitet haben, aber so überlebt er auch ist, tot ist er doch keineswegs. An den Grenzen der Nationalstaaten, von Nordirland bis zum Baskenland und von Katalonien bis Schottland und Südtirol, zeigt sich die Problematik in Westeuropa am deutlichsten; das Gewaltpotential des Nationalismus ist durch die Balkankriege der 90er Jahre noch in wacher Erinnerung. Bevor der Nationalismus in der Geschichtswissenschaft ab der ersten Hälfte der 80er Jahre problematisiert wurde, hat schon Joseph Zoderer an einem der europäischen Konfliktherde, Südtirol nämlich, beispielhaft in seinen Romanen, „Das Glück beim Händewaschen“ (1976) und „Die Walsche“ (1982) eine grundlegende Kritik des Nationalismus vorgenommen. Das Paradebeispiel nationalistischer Politik, die ‚Option‘ der deutschsprachigen Südtiroler von 1939 für das Deutschtum oder für die Italianisierung, bildet die Grunderfahrung von Fremdheit, auf die all ihre weitere Erkundung aufbaut. Aus der Perspektive der Subjektivität, des Identitätsverlustes und der Versuche von neuen Identitätskonstruktionen in einer von verschiedenen Kulturen bestimmten Lebenswelt treten im ersten Roman in den Leiden eines Internatsknaben die Kennzeichen des Nationalismus vermischt mit denen der Pastoralmacht hervor, während im zweiten Roman der Entfremdung der Hauptperson Olga von ihrer Deutschsüdtiroler Bergheimat, in deren Antiitalianismus sich die Entleerung aller Solidarwerte spiegelt, die Fremdheitserfahrung in ihrer interkulturellen Lebenswelt in Bozen entgegensteht. Die hier entworfenen interkulturellen Subjektivitätskonfigurationen werden zwanzig Jahre später im Roman „Der Schmerz der Gewöhnung“ (2002) weiter vertieft, indem die geschichtliche Perspektive das Jahrhundert vom Faschismus bis zu den Balkankriegen umfasst, der linke Protagonist hingegen den Keim des Nationalismus in sich selbst entdeckt, wo er sich mit der existentielle Ebene, dem Tod seines Kindes, der Ehekrise und dem eigenen Tod, eng verschlungen findet.