Die Strickjacke
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Lisbeth Freiß beleuchtet ein Kleidungsstück, das bislang als Marginalie des Alltags bedeutungslos schien. Sie zeigt auf, wie nationalsozialistische Propaganda und österreichischer Heimatfilm die Strickjacke als (deutsch)nationalen Bedeutungsträger entworfen und zur Identifikation von Heimat eingesetzt haben. In der Wechselwirksamkeit von Mode, Massenproduktion, Film und Alltagskleidung generiert die Moderne mit dem Zeichensystem Kleidung neue Lesbarkeiten. Ausgehend von alltagsrelevanten Bedeutungsmustern der Strickjacke, die ein kostümgeschichtlicher und modetheoretischer Diskurs über Handarbeitsanleitungen und Modezeitschriften des 19. Jahrhunderts aufzeigt, erzeugt die Verschiebung von im Alltag getragener Kleidung zum Kostüm auf der Kinoleinwand neue Signifikanzen. Der nationalsozialistische Propagandafilm reaktiviert aus der Verschränkung von textiler Handarbeit, Tracht und Heimatbezug Mythen des Weiblichen, um mit der Ästhetik von Selbstgestricktem ein deutschnationales Zeichen zu entwerfen. „Berchtesgadener Strickjacke“ und „liachtgraue Joppe“ werden zur zivilen Uniform des Nationalsozialismus. Aus den Insignien der Hitlerei strickt der Heimatfilm der Nachkriegsjahre die österreichische Identität zur Reorganisation des österreichischen Staates. In der Polarisierung von rückständig-ländlich und fortschrittlich-urban täuscht die modische Variante einer Strickweste aus feiner Maschenware mit der Schönheit des Konsums über Verbrechen, Zerstörung und Mitschuld an den Gräueltaten des Nazi-Regimes hinweg. Der ländliche, grob gestrickte Trachtenjanker hingegen bewahrt die Vorstellung der allzeit authentischen Heimat im Einklang von Natur und landschaftlicher Schönheit.