Konstantin Melnikov und sein Haus
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Konstantin Melnikov (1890–1974) ist zweifellos eine der herausragenden Gestalten in der Architektur des 20. Jahrhunderts – dies ungeachtet der Tatsache, daß er früh verstummte, ein nur wenig umfangreiches, nur unzureichend publiziertes Werk hinterließ, das fast ausschließlich auf Moskau beschränkt blieb, die Stadt, in der er zur Welt kam, in der er nahezu sein gesamtes Leben verbrachte und die ihm wenig Dank entgegenbrachte. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, doch hervorragend ausgebildet, erlebte er nach dem Ende der Wirren in der Folge von Krieg, Revolution und Bürgerkrieg ab Mitte der 1920er Jahre einen fast kometenhaften Aufstieg und setzte sich mit seinen jeglichem Dogmatismus fremden, ganz eigenständigen und durch und durch künstlerisch aufgefaßten Bauten an die Spitze der jungen sowjetischen Architektur. Rascher noch als sein Aufstieg vollzog sich sein Fall: Von allen Sei-ten angefeindet, konnte er sich, als Stalin um die Mitte der 1930er Jahre den baukünstlerischen Spekulationen und Experimenten ein Ende bereitete, nicht gegen den Vorwurf des Formalismus wehren, wurde aus dem Architektenverband ausgeschlossen und für die restliche Zeit seines Lebens mit einem Berufsverbot belegt. In den späten 1920er Jahren, auf der Höhe seines Ruhms, hatte er die Möglichkeit, für sich und seine Familie in Moskau ein Haus zu bauen, das er dann bis zum Ende seines Lebens bewohnen konnte. Dieses Haus, eine denkwürdige Symbiose aus fast bäu- erlicher Einfachheit und äußerster Radikalität, gehört zu den beein- druckendsten, überraschendsten und wohl auch enigmatischsten Werken, die die Architektur des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Seine Simplizität ist eine nur scheinbare; in Wirklichkeit handelt es sich um ein hochkomplexes Werk, das die Elemente der Archi-tektur in explizite und unauflösbare Beziehung zueinander setzt, das eine klare und ganz eigenständige Position bezieht und das wie we-nig anderes die Frage aufwirft, wie es wohl mit einem genuin archi-tektonischen Denken bestellt sein könnte. Das Buch versucht, in essayistischer Form die Pfade, die im Werk angelegt sind, aus der Perspektive des Architekten zu verfolgen. Fritz Barth studierte Architektur in Stuttgart und Zürich. Er betreibt ein Architekturbüro in Fellbach bei Stuttgart, unterrichtet an der TU Darmstadt und ist Verfasser einer Reihe von Büchern, darunter einer Studie zur Ikonographie italienischer Gärten des 16. Jahrhunderts (Die Villa Lante in Bagnaia, 2001), einer Monographie über den böhmischen Barockbaumeister Johann Santini-Aichel (Santini, 2004) und einer Untersuchung über die Festungsbauten von Francesco di Giorgio Martini (Zeichen des Wehrhaften. Festungsbauten von Fran-cesco di Giorgio Martini, 2011).