Narziss der Narr
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Der von seiner Spiegelung gebannte Narziss: ein Symbol für vollkommene Schönheit, für reflektierte Selbsterkenntnis, für selbstverliebte Egozentrik. Im Spannungsfeld dieser Symbolik erzählt sich seine Geschichte: Wie vertragen sich Schönheit, Reflektiertheit und Egozentrik? Wie vertragen sich Ästhetik, Rationalität und Individualismus? Was wird aus der Schönheit in einer reflektierten, individualisierten Welt? Was wird aus Rationalismus und Individualismus in einer ästhetisierten Welt? – Von diesen Fragen handelt die Geschichte des Narziss. Ein moderner Jedermann mit einer sehr modernen Eigenschaft: Sich selbst und seine Gedanken zu wichtig zu nehmen. Der junge Anthropologe arbeitet an einem wissenschaftlichen Projekt zur Werdung des modernen Menschen und verfehlt dabei ganz entschieden das Thema, weil er immer wieder auf die absurdesten Gedanken verfällt, in denen er sich ganz und gar verliert. Zum Beispiel jenen Gedanken, die Welt ästhetisch betrachten zu wollen. 'Die Welt als Kunstwerk!' – So die närrische Idee dieses närrischen Helden, der sich vorgenommen hat, alles – Gemälde, Gedichte, Dramen, Filme, Landschaften, Tiere, Menschen, sein Leben, sein Lieben, seine Welt – ästhetisch zu betrachten, als habe ein Künstler es geschaffen. Denn, so eine seiner Narreteien, 'es gibt eine ästhetische Erkenntniskraft', im Schönheitsempfinden erkenne der Betrachter Wesentliches über den Gegenstand, daher lohne es sich, auch den profansten Gegenstand einer ästhetischen Betrachtung zu unterziehen, da die Betrachtung des Schönen, die Reflexion über das Ästhetische dem Betrachter Wahrheiten eröffne, zu denen er sonst nicht gelange. Im Ästhetischen liege Wahrheit, das gelte für das Profane, das gelte besonders für das Schöne, die Kunst. Da ist es nicht erstaunlich, dass eine solcherart betrachtete Welt ausschließlich von Kunstfiguren bevölkert wird. In dieser ästhetisch betrachteten Welt, in dieser Welt als Werk sind seine Geliebten, seine Gefährten, seine Gegner sämtlich Kunstwerken entstiegen: Echo, Sancho Pansa, Schahriyar, Strelnikow, Abraham, Artus, … und wie sie alle heißen mögen, bevölkern diese künstliche Welt. In dieser künstlichen Welt vollzieht sich das Leben des Narziss, dessen Reflexionen über all das Schöne und Unschöne in der Welt seinen Kopf verwirren und die Seiten dieses Buchs füllen, das vorgibt ein Roman zu sein, aber alle Erwartungen eines Romanlesers enttäuscht. Denn die schöne Form ist hier nur eine Form. Nicholas Körber studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Psychologie in Bremen und Berlin. Besonderes Interesse widmete er Fragen der Ästhetik. Nicholas Körber arbeitet als Autor für Print und Fernsehen.