Mythos Yimeng
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Bald nach seinem Amtsantritt 2013 besuchte Präsident Xi Jinping eine Ausstellung zum „Geist von Yimeng“ in Linyi. Die „Volksweise vom Yimeng-Bergland“, die alte Erkennungsmelodie eines Landschaftsidylls, kursierte da bereits seit Jahren in der Gesangsversion der neuen First Lady. Was hat es mit diesem Gebiet auf sich, das in Atlanten nicht zu finden ist und doch für weit mehr steht als für ein im Westen kaum bekanntes Mittelgebirge der ostchinesischen Provinz Shandong? Als Schwerpunktregion des staatlichen Armutsprogramms und wichtigste Revolutionsbasis neben Yan’an und Jinggangshan erlebte der „mit Orden dekorierte Bettler“ Yimeng seit Beginn der Reformära in den 1980er-Jahren eine mediale Hochkonjunktur, deren Hintergründe der Klärung bedürfen. In einem multiperspektivischen Ansatz – über die Betrachtungssphären (kultur-)historischer Grundmuster, Revolutionsgeschichte, Umwelt und Entwicklung – untersucht Ylva Monschein den Werdegang des administrativ diffusen Konglomerats von der Art eines Okzitanien oder Appalachia und seine ideelle Karriere als traumhafter und traumatischer Erinnerungsraum im 20. Jahrhundert. Die Befunde liefern, durch Quellen und Übersetzungen ausgiebig belegt, Hinweise auf das stoffliche Arsenal, aus dem sich der politische Mythos speist, wenn er über moderne Unterhaltungsmedien ins Werk gesetzt wird. Im Zeichen gesellschaftlicher Transformation verbinden sich konkretes Habitat und Umwelt mit ideologisch verklärtem Gedächtnisraum zu einer modernen, planbaren Zukunftsvision von Yimeng, das zu einer Zeit erste Formen angenommen hatte, als Chinas Existenz auf dem Spiel stand und sich neue Machtstrukturen an der Peripherie herausbildeten.