Zerstörte Lebensgeschichten
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„Auschwitz, das ist der Tod, der totale, absolute Tod - des Menschen, aller Menschen, der Sprache und der Vorstellungskraft.“ (Elie Wiesel) - viele Überlebende der Shoah verfielen nach Kriegsende in ein Schweigen: Sei es, weil sie die traumatischen Erfahrungen abspalteten, sei es, weil sie diese selbst für unwirklich und nicht realistisch hielten, sei es, weil ihnen gesagt wurde, niemand würde ihnen glauben. Für die Opfer wäre deshalb ein gesellschaftlicher Diskurs nötig gewesen, der ihnen eine Stimme gegeben und sie ermutigt hätte, das Unglaubliche auszusprechen. Gerade im neu gegründeten Staat Israel blieb dieser Diskurs aus. Durch eine Politik der gleichberechtigten Aufnahme sollte jeder Jude ganz gleich seines Hintergrunds im Land seiner Väter aufgenommen und paritätisch behandelt werden. Die zionistische Idee, dass eine Heimkehr und der Kampf für sein Vaterland per se heilend auf einen Juden wirkten, trug dazu bei, dass sich man nicht separat um die traumatisierten Opfer kümmerte. Deshalb folgte für viele Opfer eine lange Phase der Hospitalisierung: unerkannt, ungefragt und falsch diagnostiziert. Erst Jahrzehnte später wurden diese stummen Zeugen wiederentdeckt und beachtet. In einer ersten Studie konnte Prof. Dori Laub (Yale University, USA) 26 dieser Überlebenden zu einem Interview über ihre Erlebnisse bewegen. Prä-Post-Messungen ergaben dabei signifikante Verbesserungen der Symptome. Doch die Schwere ihrer Traumata und die Jahre des Schweigens ließen nur sehr bruchstückhafte Zeugnisse entstehen. Vieles blieb unverständlich, ungesagt und vergessen. Mittels Grounded Theory und der psychoanalytischen Szenisch-narrativen Mikroanalyse wurde versucht, das scheinbar Verlorene - die Subtexte - wiederzugewinnen und somit die Lebensgeschichten neu zu erzählen.