Geteiltes Schweigen
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Die politische Teilung Indiens verursachte eine der größten menschlichen Katastrophen der Geschichte. Innerhalb weniger Monate wanderten zwölf Millionen Menschen zwischen dem neuen, zurückgestutzten Indien und den zwei Flügeln Pakistans hin und her. Blutige Gemetzel waren manchmal Auslöser, manchmal Begleiterscheinung ihrer Wanderung. Etwa eine Million Menschen starben, etwa 75.000 Frauen wurden entführt und vergewaltigt, Kinder verschwanden. Tausende Familien wurden auseinandergerissen, Häuser wurden zerstört, ganze Ernten verrotteten, Dörfer wurden entvölkert zurückgelassen. Die Leute reisten in Bussen, Autos, Zügen, meistens jedoch zu Fuß in großen Kolonnen. Die längste dieser Kolonnen bestand aus bis zu 400.000 Flüchtlingen. Sie brauchte acht Tage, um einen beliebigen Punkt auf ihrem Weg hinter sich zu bringen. Die ›Fakten‹ der Teilung sind in Büchern öffentlich zugänglich. Das Besondere zu entdecken, ist mühsamer. Es existiert nur im Privaten, in Geschichten, die im Inneren so vieler indischer und pakistanischer Heime erzählt und nacherzählt werden. In Interviews, die Urvashi Butalia über einen Zeitraum von über 10 Jahren geführt hat, fragt sie, wie die Menschen die Teilung erlebt und was diese mit ihnen gemacht hat ‒ Kinder, Frauen, Kastenlose, einfache Leute. Um zu verstehen, warum über manche Dinge gesprochen wird, andere aber in Schweigen gehüllt bleiben, beginnt sie die Geschichte ihrer eigenen Familie aufzuarbeiten und Fragen zu stellen, bevor sie die Geschichten anderer Menschen betrachtet, um Mechanismen von Verdrängung, Täterschaft, Gewalt, Identitätsfindung nachzuspüren.