Kosmischer Tanz
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Tanz ist ein urmenschliches Phänomen. Der kosmische Tanz bewegt uns Menschen vom Ursprung zum Urgrund und ist Dreh- und Angelpunkt dieses Eranos-Bandes. Die Dynamik des Universums durchdringt die geheimnisvolle Lebendigkeit der Welt. Namhafte Wissenschaftler und ausgewählte Fachleute umkreisen (außer)gewöhnliche Ausdrucksformen allgegenwärtiger Transzendenz und lassen den Leser an diesem interdisziplinären Dialog teilhaben. Den Reigen eröffnet der indische Gott des Tanzes, der Erscheinungen und der Transformation, Shiva, der alles verwandelt und alles in Bewegung bringt. Shiva in uns vereint die Polaritäten männlich–weiblich, Licht und Schatten. Diesem Zwischenraum von Licht und Schatten, der mehr spürbar als sichtbar ist, widmet sich der Butoh-Tanz, eine moderne japanische Strömung im Tanz, die radikal erlebt und vorgetragen wird. Dem innerlich erlebbaren Chaos folgt mit Blick auf das Spannungsfeld von Sonne, Mond und Sternen die Auseinandersetzung mit dem Fund der Himmelsscheibe von Nebra, die mit ihrer Darstellung des Firmamentes der Wissenschaft Rätsel aufgab und sich als einer der bedeutendsten archäologischen Schätze der Welt erweist. Auch im dargestellten ostnepalesischen Sakela-Tanz, der fester Bestandteil seit Jahrhunderten bewahrter religiös schamanistischer Riten ist, sind Gottesverehrung und alltägliche individuelle Handlung miteinander verflochten. Und so spricht auch er von der Sehnsucht nach leib-seelischer Hingabe des Menschen. Dies wird vergeistigt in einer ganz anderen Kultur, der Sufi-Mystik, die mit dem Drehtanz der Derwische zu besonderer Blüte gebracht wird. Auch im Christentum findet sich tatsächlich, allen Anfeindungen zum Trotz, bei aller Leibfeindlichkeit, das Motiv von «Christus als Tänzer» in den apokryphen Texten. Als Logos und Licht ist er Reigenführer des Lebens, sofern sich die Seele zum Tanz mit ihm bereithält. In enger Verbindung mit dem tanzenden Christus stehen die Totentänze, deren Kulturgeschichte über Zeugnisse aus 3500 Jahren verfügt. Der Kreis schließt sich mit den geistigen Geheimnissen der Bienen, die in ihrer tiefen, natürlichen Verbundenheit mit Himmel und Erde eine rhythmische All-Gegenwärtigkeit lehren können, wenn der Mensch seine Sinne dafür zu öffnen vermag. Eranos blickt auf eine lange Tradition zurück. Seit der Gründung 1933 stehen die Tagungen im Zeichen der Begegnung der Kulturen, aber auch des Dialoges zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften, wobei der Psychologie und der Religionswissenschaft eine wichtige Mittlerrolle zukommt. Die Beiträge des vorliegenden Bandes setzen diesen Dialog fort.