Vom Vorbild zum Antipoden
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Die Bedeutung Schopenhauers für Nietzsches Denken wird in der Nietzsche-Forschung kontrovers beurteilt. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts Schopenhauers Einfluss häufig als bedeutend eingeschätzt wurde, haben ihn spätere Interpreten wie Jaspers, Heidegger und Löwith als unwesentlich veranschlagt. In jüngerer Zeit zeichnet sich wieder eine Aufwertung der Rolle Schopenhauers ab. In Anknüpfung an die jüngere Nietzsche-Forschung zeigt diese Arbeit, dass sich die Entwicklung von Nietzsches Denken in immer wiederkehrender Auseinandersetzung mit der Philosophie Schopenhauers vollzogen hat. Vor allem seine Überlegungen zur Metaphysik und Ethik werden häufig vor dem Hintergrund der Schopenhauerschen Auffassungen erst richtig verständlich. In seiner frühen Phase lehnt er sich eng an Schopenhauers Erkenntnistheorie, Willensmetaphysik und Ethik an, doch distanziert er sich vorsichtig von einigen Lehren Schopenhauers, aber ohne offene Kritik zu äußern. In der mittleren Phase wendet er sich offen gegen Schopenhauers Willensmetaphysik, Mitleidsethik und Erlösungslehre. Der späte Nietzsche setzt seine frühere Kritik fort, bemüht sich aber vor allem darum, mit eigenen Konzepten wie Wille zur Macht, ewige Wiederkehr des Gleichen und dionysische Lebensbejahung Gegenpositionen zu Schopenhauer zu entwickeln. In Nietzsches Denkweg wandelt sich Schopenhauer damit vom Vorbild zum Antipoden.