Waldmelodie
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Bäume sind Persönlichkeiten, die ganz andere Herausforderungen des Lebens bestehen müssen als wir Menschen. Bäume sind auch ästhetisch und ihre Struktur ist oft als Bild faszinierend. Ich habe ururalte Bäume gesehen: in der Bretagne die 1000-jährige Eiche der «Forêt de Brocéliande»; in Sri Lanka den 2000-jährigen Bodhi-Baum von Anuradhapura, der als ältester von Menschenhand gepflanzter Baum gilt. Einst, als Kind, habe ich eine Eichel und eine Kastanie in Töpfe gesteckt und sah die jungen Bäume wachsen – heute sind beide riesig. Seit 1991 wohne ich in Schottikon (Elsau) nahe am Wald, den ich vom Schreibtisch aus sehe. Auf Spaziergängen durch Wald und Feld entstehen oft Gedichte, die ich im Gehen memoriere und später zu Hause aufschreibe. Eine Auswahl findet sich in diesem Band. In den letzten drei Jahren habe ich neben dem Schreiben fotografiert. Bald zeigte sich, dass auch hier der Wald ein Hauptthema ist. Diese Fotos nenne ich «Bildgedichte» – Lyrik mit anderen Mitteln. Sie sind jeweils begleitet von einem Ein-Wort-Gedicht: eine lyrische Wortfindung, ein Spracheinfall oder ein «normales» Wort. Dieses Begleitwort kann das Bild in Sprache fassen, ihm eine zusätzliche Bedeutung geben oder in eine vorstellbare Geschichte hinter dem Bild führen. – Irène Bourquin