Individuelle Mythologien
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Lange galt es als ein eigentliches Ziel der Kunst, gesellschaftskritisch wirksam zu werden. Das Postulat, ihre Funktion bestehe in einer aufklärerischen, emanzipatorischen Bezugnahme auf gesellschaftliche Zusammenhänge wirkte von den historischen Avantgarden über die 1968er-Bewegungen bis heute in vielseitigen Aktualisierungen fort. In der Kunst und Kunstwissenschaft avancierten Kritizismus, Kritik und Kritikalität zu eigenen, leitenden Werten. Doch aktuell zeigt sich, dass für die Bestimmung der Kunst zudem auch andere Parameter fundierend werden können. Worüber definieren sich künstlerische Einsätze jenseits der Kritik? Die Individuellen Mythologien – im Rahmen der documenta 5 (1972) von dem Schweizer Ausstellungsmacher Harald Szeemann eingeführt und während der documenta 6 (1977) als Subjektive Wissenschaft von dem westdeutschen Kritiker Günter Metken weiter verfolgt – markierten als beispiellose kuratorische Setzung Umbrüche in der künstlerischen, kunstkritischen und kuratorischen Praxis der 1970er Jahre gleichermaßen. Angeleitet von Foucaults’ Begriff der Selbsttechniken wird das transformative Potenzial in den künstlerischen Praktiken von Vettor Pisani, Nancy Graves und Paul-Armand Gette anhand größtenteils unveröffentlichter Quellen untersucht. In Auseinandersetzung mit der bisherigen Kunstgeschichtsschreibung eröffnet Maria Bremers Studie einen neuen, zeitgemäßen Blick auf die geschichts- und sozialwissenschaftliche Forschung über diese Dekade, indem sie den Anteil akritisch verstandener Kunst und ihrer kuratorischen Mobilisierung an der Ausbildung singularisierter Subjektivitätsformen hervorstellt.