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Cäsarismus und Machtpolitik

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Der Begriff »Charisma« ist sowohl für Max Webers Menschenbild als auch für seine wissenschaftliche und politische Karriere von zentraler Bedeutung. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, nach der Entstehungsgeschichte des Charismakonzepts parallel zu Webers dreidimensionaler - wissenschaftlicher, politischer und psychischer - Entwicklung zu forschen, dessen Trag- und Reichweite im Licht der späteren Erfahrung zu durchleuchten und sein Wesen zu klären. Das Charismakonzept spiegelt wider, einerseits Webers inneren Kampf gegen sein eigenes Ohnmachtsgefühl - das durch mangelnde Qualifikation für seinen nationalökonomischen Lehrstuhl zu einem psychischen Zusammenbruch führte - durch das Streben nach politischer, außeralltäglicher Qualität, und andererseits das Streben der deutschen Politiker nach einer Großmachtstellung. Für die Begriffswandlung von der Verwaltung der christlichen Gemeinde zur Staatsherrschaft sowie für die Legitimitätsquelle der charismatischen Herrschaft fehlen historische Belege. Um diese Schwäche zu vertuschen, hat Weber von Machiavelli die nationalistische Liebe zum Vaterland, von Freud die Analyse der Zwangsneurose und von Robert Michels die Oligarchietheorie übernommen. Trennt man die glänzende Schale ab, sieht man den Kern eines modernen Cäsarismus, der nach außen Großmachtstellung, nach innen persönliche Diktatur verlangt, und zwar in Form der modernen plebiszitären Führerdemokratie. Wirkungsgeschichtlich betrachtet, zieht sich ein nationalistischer Faden merkwürdig durch die ganze Rezeption in Deutschland, die durch die Bewunderung Webers Anhänger gegenüber seinem persönlichen Charisma gekennzeichnet ist. Die Rezeption durch Robert Michels unter Mussolinis Herrschaft hatte eine ähnliche Wirkung wie die unter Hitlers Herrschaft. Die Rezeption in der VR China in den letzten Jahren stand im Einklang mit dem Neoautoritarismus, der auf eine Stärkung der Diktatur der Zentralregierung abzielt. Ein ahistorisches Konzept hat mehrmals negative historische Folgen verursacht. Die Wahlverwandtschaft zwischen Charismakonzept, Faschismus und Oligarchie liegt im antidemokratischen und antivölkerrechtlichen Wesen dieses Konzepts, was auch Webers Einstellung zur Innen- und Außenpolitik Deutschlands kennzeichnete.

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1997

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