Menschenwürde und Menschenleben
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Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen steht heute nicht ernsthaft in Streit. Ist aber der lebendige Mensch in gleicher Weise unantastbar? Zusehends wird das Menschenleben umgedeutet vom Selbstzweck, den es unbedingt zu schützen gilt, zum verfügbaren Mittel für fremde Lebensplanungs- und Qualitätsinteressen. Die Gesellschaft in Form der öffentlichen Meinung, die Sozial- und Humanwissenschaften und nicht nur sie haben begonnen, den Wert eines Lebens zu bewerten, und haben bereits die Perspektiven entscheidend verändert: Menschenwürde und Menschenleben driften unaufhaltsam auseinander. Mit Händen zu greifen ist diese Entwicklung in den praktischen Ethiken, noch vor kurzem mit Abscheu zurückgewiesen, wie sie beispielsweise von Peter Singer vertreten wird. Sie beruhigen das kollektive Gewissen. Sie unterfangen moralisch jenen Hemmungsverlust der Gesellschaft, der seinen Anfang bei den Zellklumpen nahm, die noch kein menschliches Antlitz tragen, und der längst auch die Lebensphase erreicht hat, in der das menschliche Antlitz durch Krankheit oder Alter verwelkt. Damit scheint die Beschwörung seines obersten Wertes den Menschen selbst kaum zu schützen. Im Gegenteil scheint sich eine Gesellschaft, die seine Würde immer geflissentlicher verklärt und entrückt, ein Alibi dafür schaffen zu wollen, daß sie über das menschliche Leben immer ungehemmter verfügt.