Geschrieben und gemalt
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Das Frauenkloster Lamspringe lohnt den aufmerksamen Blick auf sein kulturelles Erbe, obwohl die Erinnerung an seine Existenz aus dem Bewußtsein unserer Zeit so gut wie verschwunden ist; denn einst blühte es im Glanze seines Reichtums, seiner Kunst und seines Wissens. Seine Gründung als Kanonissenstift reicht in die Mitte des 9. Jahrhunderts zurück, in eine Zeit, in der sich das Christentum nördlich vom Harz, zwischen Weser und Elbe, ausbreitete, als die im alten Sachsen seit dem 9. Jahrhundert gestifteten Klöster zu Pflanzstätten von Frömmigkeit und abendländischer Kultur wurden. Auch in Lamspringe, einem Schwerpunkt dieser Landschaft, erwuchsen solche kulturellen Leistungen, wie die am Ausgang des 12. Jahrhunderts entstandene Bibliothek noch heute beweist. Für diese Zeit kann im norddeutschen Raum kein Frauenkloster genannt werden, von dem sich eine derart große und geschlossene Büchersammlung erhalten hat. Das Studium und auch die Herstellung von handgeschriebenen und ausgemalten Büchern waren in Frauenkonventen Voraussetzung, Aufgabe und unabdingbarer Teil des klösterlichen Gotteslobes. Eine ganze, darüber hinausgehende, wirkliche Bibliothek aufzubauen, forderte jedoch erhebliche finanzielle Anstrengungen, manuelle Fähigkeiten und theologische Kenntnisse. Noch heute bezeugen die aus Lamspringe überkommenen Bücher den hohen Bildungsstand, die große Kunstfertigkeit im Schreiben und Malen seiner sächsischen Sanctimonialen: auch wenn deren mächtiges Kloster nicht mehr existiert, sind viele ihrer Werke immer noch greifbar und gegenwärtig geblieben. Das Leben der Konventualinnen in ihrer Welt scheint uns heute verschlossen, und doch erschließen sich seine Spuren in diesen anspruchsvollen Texten auf Pergament und in ihren vielfältigen Miniaturen. Auch dies mag ein Grund sein, sie vollständig einer größeren Öffentlichkeit näher bekannt zu machen. Seit 1572 werden die Handschriften aus Lamspringe in der Wolfenbütteler Bibliothek aufbewahrt. Mit dieser Ausstellung will die Herzog August Bibliothek auf diesen Schatz aufmerksam machen und zugleich einen Beitrag zu den Forschungen der letzten Jahrzehnte leisten, in denen die reale Bildungssituation der mittelalterlichen Frauengemeinschaften differenzierter beschrieben wird. Der begleitende Katalog erschließt die Manuskripte nach modernen Gesichtspunkten und knüpft damit an das Katalogwerk mittelalterlicher Handschriften aus Niedersachsen an, wie es seit gut 35 Jahren in der Herzog August Bibliothek betrieben wird. In diesem Rahmen erschien 1994 ein Katalog zur Büchersammlung des Benediktinerinnenklosters Ebstorf. Darin spiegelt sich die geistige Welt des ausgehenden Mittelalters. Sowohl in Ebstorf wie in Lamspringe lebten Benediktinerinnen, deren Klosteralltag von den Strömungen ihrer Zeit geprägt war, das heißt im späten Mittelalter von einer geistigen Haltung der Andacht, während Jahr-hunderte früher in Lamspringe eine intellektuell anspruchsvolle Theologie das Interesse der Schreiberinnen leitete. So haben diese frommen Konventualinnen durch das Werk ihrer Hände vor nahezu tausend Jahren ein bemerkenswertes Denkmal für ihr geistiges Leben und Streben geschaffen.