Wenn die Eintracht spielt
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Rafael Klugmann ist ein seltsamer Kauz, der seine Marotten – zuvörderst seine Leidenschaft für Eintracht Frankfurt – pflegt, wie es sich nur jemand leisten kann, der sonst keine Sorgen hat. Lange Zeit hat er in Frankfurt a. M. gelebt, bis es ihn, auf Grund eines kunstvoll verdrängten Vorfalls, ins ferne Wendland verschlägt. Im Rundlingsdorf Schreian hat er sich, begünstigt durch das Erbe seiner Mutter, auf einem Künstlerhof eingekauft. Dort nervt er die anwesenden Stipendiaten durch unkünstlerische Sprüche und, nicht zuletzt, durch seine unkonventionelle Kleidung: Klugmann, in dessen Schrank die Trikots aller Lizenzspieler des aktuellen Eintracht-Frankfurt-Profikaders hängen, hat immer eine Eintracht-Kappe auf dem Kopf und ein Eintracht-Trikot am Leib. So zeigt er sich im Dorf, so zeigt er sich in der nahen Kreisstadt Lüchow, wo er bei der Psychotherapeutin Dr. Caroline Jaga in Behandlung ist; er liebt sie, obwohl er sich von der Liebe schon vor Jahren verabschiedet hat. Allerdings rührt Caroline auch an Erinnerungen, die Klugmann nicht mehr aufkommen lassen will, weil sie mit jener 'unrühmlichen Episode' in seinem Leben zu tun haben, die ihn seinerzeit zur Flucht aus Frankfurt veranlaßte. Als der Klassenerhalt der Frankfurter Eintracht geschafft ist, läßt sich Klugmann von seinem einzigen Freund, dem erfolglosen Schriftsteller Heinz Horn, der aus dunklen Kanälen WM-Karten erhalten hat, dazu überreden, nach Frankfurt zu fahren. Auch Caroline ist inzwischen in Frankfurt, und Klugmann ahnt, daß eine Absicht dahinterstecken könnte, die mit ihm zu tun hat. Kann er, der versierte Desillusionist, der lieber wehmütig als glücklich ist, noch einmal, und sei es zum letzten Mal in seinem schwindenden Leben, eine Liebe wiederfinden, die ihm seinerzeit, aus teils lachhaften, teils ungeklärten Ursachen, abhanden kam? 'Wenn die Eintracht spielt' erzählt von den Geheimnissen der Erinnerung und der Liebe zum Fußball, die oft nur für eine andere, 'die große Liebe', steht, an der wir uns auch dann noch wärmen, wenn sie sich nur noch aus 'versunkenen schönen Tagen' nachzeichnen läßt. 'Den eigentlichen Zweck jeder Introvertiertheit, nämlich ein teils ergiebiges, teils mit Selbstverliebtheitsaufgaben betrautes Ich aufzubauen, das so stabil ist wie das Gemüt eines Fußballprofis, der jeden Vereinswechsel ungerührt und mit Zugewinn übersteht, konnte ich mit meiner Vorgeschichte ohnehin nicht erreichen. In meinem Kopf war immer Tag der offenen Tür gewesen, aber ich war davor nicht etwa geflohen, sondern hatte mich in den hintersten Winkel zurückgezogen, in eine separate Abstellkammer, auf der der gute alte Eintracht-Adler prangte. Nun wurde sie aufgestoßen, und ich drängte nach draußen. Ins Freie.' Otto A. Böhmer lebt als Schriftsteller in Wöllstadt (Wetterau). Zahlreiche Veröffentlichungen. Erich-Fried-Preis 2001; Kulturpreis für Literatur 2002. Zuletzt erschien der Roman 'Der Zuwender' (Weidle Verlag).