Simulationsmodell für das Projekt- und Änderungsmanagement in der Automobilentwicklung auf Basis der Design Structure Matrix
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Der Produktentstehungsprozess bei Automobilherstellern ist charakterisiert durch vielfältige dynamische Wechselwirkungen zwischen Produkt und Prozess, die eine Planung der Ablauforganisation sowie Steuerung und Überwachung des Arbeitsfortschritts erheblich erschweren. Projektmanager und -planer stehen regelmäßig vor der Herausforderung, Dauer und Kosten von inhärent komplexen Teilprojekten sowie -aufgaben möglichst genau zu schätzen und die Auswirkungen von Produktänderungen zu antizipieren. Klassische Planungsmethoden, wie z. B. Zeitbandmodelle oder Netzpläne, weisen diesbezüglich schwerwiegende Defizite auf, da sie weder Iterationsschleifen noch Abhängigkeiten zwischen Produktfunktionen oder -komponenten abzubilden vermögen. In der vorliegenden Dissertation werden eine Planungssystematik auf der Basis sog. Design Structure Matrizen sowie ein zugehöriges stochastisches Simulationsmodell vorgestellt, das diese Defizite prinzipiell zu überwinden vermag. Zusätzlich wird ein darauf aufbauendes Softwarewerkzeug mit dem Namen DeSiM eingeführt, das es dem Planer ermöglicht, Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen von Produktentwicklungsdauern und -kosten mit Hilfe von Monte-Carlo-Rechnungen zu ermitteln und die Auswirkungen von Änderungen an einzelnen Entwicklungsaktivitäten, der Prozessarchitektur sowie Elementen des Produkts zu analysieren. Durch die Verwendung verschiedener Design Structure Matrizen können Multidomänenmodelle entwickelt und simuliert werden, die auch die Projektaufbauorganisation sowie Entscheidungsparameter berücksichtigen. Die Auslösung der Entwicklungsaktivitäten wird durch die Verfügbarkeit von Informationen bestimmt, wobei eine sequentielle, parallele, überlappende und iterative Bearbeitung von Aktivitäten möglich ist. Ferner werden Lerneffekte, die typischerweise beim mehrfachen Durchlaufen von Iterationsschleifen auftreten, berücksichtigt. Nicht selten unterliegen Aufgaben in der Automobilentwicklung einschneidenden Änderungen der Entwicklungsbedingungen. Eine Änderung wirkt dabei in der Regel nicht isoliert auf eine Komponente des Produktes, sondern hat aufgrund von mechanischen, elektrischen oder informatorischen Interdependenzen weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Entwicklungsprozess. Im Simulationsmodell lassen sich diese Abhängigkeiten mithilfe eines einheitlichen, auf Struktur- und Abbildungsmatrizen basierenden Formalismus beschreiben. Somit können bei geeigneter Parametrisierung die Auswirkungen von Änderungen im Hinblick auf Zeit und Kosten reliabel prognostiziert und bewertet werden. Die externe Validität und die Utilität des Simulationsmodells konnten mittels umfangreicher empirischer Analysen im Entwicklungszentrum eines Herstellers von Personenkraftwagen belegt werden. Damit liefert die in der vorliegenden Dissertation beschriebene Modell- und Werkzeugentwicklung für ein integriertes Projekt- und Änderungsmanagement auf Basis von Design Structure Matrizen einen wertvollen Beitrag zum Forschungsfeld der Planung von komplexen Arbeitsprozessen in der Produktentstehung.