Wie viele Platonow-Helden hat auch Firs, der makedonische Offizier, nicht aufgehört, über das Leben zu staunen. Er ist ein Suchender, der die Schrecken der Existenz am eigenen Leibe erfährt und seine untergründige Traurigkeit nicht los wird. Im geheimen Auftrag Alexanders des Großen lebt er seit einigen Jahren in einem fernen asiatischen Reich. Es erstreckt sich in einem gewaltigen blauen Tal, eingeschlossen von einem »Himmelsgebirge«, dessen Wände »undurchdringlich sind für den Wind und für die Freiheit«. Statt das Bewässerungsprojekt für den dortigen Despoten durchzuführen, bereitet er einen Aufstand gegen ihn vor. »Nicht zur Veröffentlichung bestimmt«, heißt es in einer Akte des sowjetischen Geheimdiensts über Andrej Platonow und sein Romanprojekt »Der makedonische Offizier«. Zwischen 1932 und 1936 entstanden, blieb es Fragment und wurde erst Mitte der neunziger Jahre in Russland veröffentlicht. Der dichte Text enthält nicht nur die schärfste Kritik an Stalin, die Platonow jemals formulierte, sondern auch seine Vorahnung einer von Menschen verursachten globalen Katastrophe.
Andrei Platonov Reihenfolge der Bücher
Andrei Platonow, ein sowjetischer Autor, dessen Werke den Existenzialismus vorwegnehmen, besaß eine einzigartige Stimme, die oft im Widerspruch zu den herrschenden Ideologien seiner Zeit stand. Obwohl ein engagierter Kommunist, wurden seine Schriften zu seinen Lebzeiten wegen ihrer skeptischen Auseinandersetzung mit Kollektivierung und stalinistischen Politik verboten. Platonows bemerkenswert energiegeladenes und intellektuell frühreifes Schaffen umfasste eine breite Palette von Themen, von Literatur und Kunst bis hin zu Wissenschaft und Philosophie. Seine ausgeprägte Prosa, die sich durch eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit Sprache und der menschlichen Verfassung auszeichnet, bietet eine ebenso originelle wie eindringliche Perspektive auf die gesellschaftlichen und spirituellen Kämpfe seiner Zeit.







- 2021
- 2019
Andrej Platonow (1899–1951) gilt als prophetischer Schriftsteller, der in seinem Werk die Tragödie der Sowjetunion erfasst und vorausgesehen hat. Doch bis heute ist vollkommen unbekannt, dass sein literarisches Schaffen zugleich ein hochaktuelles ökologisches Denken durchzieht. Erstmals wird in dem Band der ökologische Prophet Andrej Platonow erschlossen. Der Bogen spannt sich von seiner frühen Publizistik, in der er die Nutzung der Sonnenenergie und die Überwindung des Raubbaus an der Natur propagiert, bis zu dem Essay Über die erste sozialistische Tragödie. In diesem Schlüsseltext reagiert Platonow einerseits auf die gewaltsame Industrialisierung unter Stalin, die den Menschen versklavte und die Natur zerstörte, andererseits warnt er vor einer künftigen ökologischen Katastrophe. Der Roman Dshan erzählt von einem kleinen Nomadenvolk, das auf seinem Leidensweg durch die Wüste eine neue Seele erlangt. Dshan, so der Name des Volkes, heißt Seele. Im Kontext von Platonows ökologischem Denken erweist sich der Roman als Utopie von einer Menschheit, die es vermag, im Einklang mit der Natur zu leben und die Gefahr einer globalen Katastrophe zu bannen. Der Großteil der Werke ist zuvor nie auf Deutsch erschienen. Dshan wurde erstmals auf der Grundlage der unzensierten Originalfassung, die 1999 in Russland publiziert wurde, neu übersetzt.
- 2019
Andrej Platonov ist durch seine großen Romane zu einem Klassiker der russischen Literatur geworden und gilt als ein Autor, der der Oktoberrevolution eine Sprache gegeben hat, da er selbst ein Anhänger der Revolution war. Er schildert das wechselhafte Geschick des sowjetischen Experiments aus der Perspektive ihrer utopischen Sprache. Vor seinem literarischen Durchbruch arbeitete Platonov als Journalist und Elektrotechniker in der sowjetischen Provinz und verfasste kleinere Texte für lokale Zeitungen, die zwischen Philosophie, Technik und Polemik mäandern. Er behandelt das Verhältnis von Proletariat und Partei, einen marxistischen Freiheitbegriff, proletarische Kultur sowie einen demokratisierten Presseapparat. Zudem thematisiert er erneuerbare Energien, die Elektrifizierung des Landes und den drohenden Klimakollaps. 1921 wollte er seine Aufsätze unter dem Titel »Gedanken eines Kommunisten« einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren, doch eine Publikation wurde abgelehnt. Diese frühen Texte werfen nicht nur ein neues Licht auf sein literarisches Werk, sondern gewähren auch einen ungewöhnlichen Einblick in das Selbstverständnis der frühen sowjetischen Kultur. Zum 100-jährigen Jubiläum seines literarischen Debüts versammelt der vorliegende Band größtenteils erstmals übersetzte Texte aus seiner frühen Publizistik.
- 2018
Tschewengur
Die Wanderung mit offenem Herzen. Roman
Nicht nur Die Baugrube , auch das zweite Hauptwerk Andrej Platonows, der Roman Tschewengur , durfte in der Sowjetunion nicht erscheinen. Er habe nichts anderes versucht, als den Anfang der kommunistischen Gesellschaft darzustellen, schreibt der Autor an den mächtigen Maxim Gorki. Das Buch, so die Antwort, sei inakzeptabel, denn die Helden würden nicht als Revolutionäre, sondern als komische Käuze und Halbverrückte wahrgenommen. Don Quijote und Sancho Pansa durchstreifen die Steppe Südrusslands: Sascha Dwanow hat als Heizer an den Kämpfen der Roten Armee gegen die Weißen teilgenommen. Kopjonkin ist auf dem Ross »Proletarische Kraft« unterwegs, auf der Suche nach dem Grab Rosa Luxemburgs, in deren Namen er Heldentaten begehen will. Soll das, was ihnen unterwegs begegnet, die Verwirklichung der sozialistischen Idee sein? Erst nach der Trennung von Kopjonkin kommt Sascha auf die richtige Spur. In der Steppenstadt Tschewengur soll der Kommunismus bereits angebrochen sein. Wie elf Bolschewiki und ihr Führer dort die Bourgeoisie vernichten und mit der bettelarmen Bevölkerung das Paradies aufbauen, wird als Geschichte eines gigantischen Scheiterns erzählt. Melancholie und Dunkelheit liegen über der Natur und der Stadt: »In die Tiefe der angebrochenen Nacht gingen ein paar Menschen aus dem Kommunismus ins Ungewisse.«
- 1993
Eine junge Frau kommt Mitte der dreißiger Jahre nach Moskau, um ihr Glück zu suchen. Moskwa, »Tochter der Revolution«, ist ein starkes, prachtvolles Geschöpf, eine Fallschirmspringerin, der Wind ist ihr Element. Beim Besuch einer Metrobaustelle stürzt sie in den Schacht und verliert ein Bein. Ihrer Attraktivität tut dies keinen Abbruch. Bei zahllosen erotischen Abenteuern lernt sie Männer kennen – darunter einen Ingenieur, eine Chirurgen und einen aus der Gesellschaft ausgestoßenen Intellektuellen –, die sich unsterblich in sie verlieben. Für Moskwa ist Sex nur eine physiologische Notwendigkeit. Unter Glück versteht sie etwas anderes, etwas Zukünftiges. Zum Leben mit einem einzelnen Mann fühlt sie sich nicht geschaffen, und solange sie ihre Entsprechung, ihr Glückskorrelat noch nicht gefunden hat, gibt sie dem Alleinsein den Vorzug. Die glückliche Moskwa , Platonows letzter, erst Anfang der neunziger Jahre entdeckter Roman, trägt unverkennbar symbolische Züge. Im Vergleich mit der Baugrube und Tschewengur fast traditionell und auf schreckliche Weise heiter geschrieben, verkörpert sich in seinen Figuren der martialische Untergang der Menschheitsutopie – zu einer Zeit, als das Leben laut Stalin »besser, fröhlicher« geworden war.
- 1987
- 1986
Die Geschichte thematisiert den englischen Ingenieur, den Peter der Große für den Bau eines Kanals hinrichten lässt, weil dieser untauglich ist. Dies spiegelt Stalins Weißmeerkanal wider, der ebenfalls viele Menschenleben kostete und von Anfang an als Fehlschlag galt.




