Ilse Aichingers Schriften vermitteln eindringlich ihre Erfahrungen der Verfolgung durch die Nazis aufgrund ihrer jüdischen Abstammung. Ihre Prosa zeichnet sich durch Prägnanz und starke Symbolik aus und wird oft mit Franz Kafka verglichen. In ihren Werken erforscht sie Themen wie Identität, Erinnerung und Trauma, wobei sie sich mit der psychologischen Tiefe ihrer Charaktere und deren Weltwahrnehmung auseinandersetzt. Aichinger bietet den Lesern eine einzigartige Perspektive auf die Auswirkungen historischer Ereignisse auf das individuelle Leben.
Am 4. Juli 1939 emigriert die 17-jährige Helga Aichinger mit einem Kindertransport nach England, während ihre Zwillingsschwester Ilse und ihre jüdischen Verwandten in Wien bleiben. Der bewegende Briefwechsel über mehr als acht Jahre dokumentiert ihre Hoffnungen und das Leid der Trennung. Die Edition enthält auch frühe Werke von Ilse Aichinger und Illustrationen von Helga. Herausgegeben von Nikola Herweg.
Zum 100. Geburtstag: Die verstreuten, weitgehend unbekannten Publikationen Ilse Aichingers in einem Band Heiter und ohne Trost, zornig und zärtlich zugleich: Ilse Aichingers Schreiben bewegt sich von Anfang an in solchen Spannungsfeldern. »Aufruf zum Mißtrauen« versammelt über 100 Texte Ilse Aichingers, die zwischen 1946 und 2005 in diversen Anthologien, Zeitschriften oder Tageszeitungen erschienen sind. Die Publikationen, die zu Lebzeiten Aichingers keinen Eingang in ihre Bücher gefunden haben, lassen eine Autorin sichtbar werden, die vom Essay bis zum Gedicht, von der Rezension bis zum Dialog ganz unterschiedliche Formen der Auseinandersetzung erprobt und deren entscheidendes Motiv über Jahrzehnte hinweg das Misstrauen geblieben ist: Misstrauen gegenüber der Welt, gegenüber der Sprache und vor allem gegenüber sich selbst. Zu entdecken ist dabei eine den Menschen zugewandte, erstaunlich politische Autorin, die immer auf der Seite der Leidenden steht: der »Sieger im Schatten«.
In den 50er-Jahren, der großen Zeit des Radios, verfasste Ilse Aichinger nicht nur Hörspiele, sondern auch umfangreiche Radio-Essays über Autoren, die ihr wichtig waren: 1955 eine Sendung über Adalbert Stifter, 1957 unter dem Titel »Die Frühvollendeten« eine Reihe über Schriftsteller, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg jung gestorben sind: Georg Trakl, Alain-Fournier, Felix Hartlaub, Wolfgang Borchert, die Geschwister Scholl. In den Radio-Essays erweckt Ilse Aichinger die Toten, indem sie mit ihnen und dem Radiopublikum in einen doppelten Dialog tritt: Die Autoren kommen zu Wort und Stimme durch ausführliche Zitate aus deren Dichtung und Briefen. Aichinger stimuliert das Gespräch, indem sie das Publikum mit Leben und Werk der Autoren bekannt macht, die gelesenen Texte persönlich kommentiert und immer wieder fragt, was sie hier und heute für jeden Einzelnen bedeuten können. Ilse Aichingers Radiostücke sind als substantieller Teil ihres essayistischen Werks zu entdecken.
1939 blieb Ilse Aichinger in Wien, als ihre Zwillingsschwester Helga mit einem Kindertransport nach London gebracht wurde. Einige ihrer Familienmitglieder haben die Shoah nicht überlebt. In ihrem von Abschied und Ankunft, von Leiden und Kreativität gezeichneten Leben haben die Zwillinge bedeutende literarische und künstlerische Werke geschaffen, die 100 Jahre nach der Geburt der Schwestern in diesem zweisprachigen Band untersucht und gewürdigt werden.
Ilse Aichingers Antworten unterminieren jede Frage und treffen zielsicher das Unerwartete. Das hält sie im Gespräch nicht anders als beim Schreiben. Die Interviews aus 50 Jahren zeugen von Aichingers unaufhörlicher Auseinandersetzung mit den Bedingungen von Sprache und Existenz, mit der Geschichte ihrer Familie, mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen - gerade auch in den 80er und 90er Jahren, wo sie kaum schrieb. Ein Fremd- und Selbstkommentar zum Werdegang dieser singulären Autorin. Der Interviewband ist Entwicklungsroman und Werkkommentar in einem. Die beilgelegte CD enthält vier ausgewählte Gespräche aus Rundfunkinterviews. "Die vorliegenden Interviews sind eine interessante Zeitreise durch dreiundfünfzig (Lebens- )Jahre. Sie machen neugierig. Dem Text eine CD mit ausgewählten Gesprächspassagen aus vier Rundfunkinterviews beizulegen, war ein kluger Schachzug des Verlages. Der Leser wird dadurch automatisch auch zum Hörer: Man legt beides, Buch und CD, nur ungern wieder aus der Hand" (literaturkritik.de)
Ilse Aichinger und Friederike Mayröcker zählen zu den bedeutendsten Stimmen der österreichischen Literatur, beide vereint in ihrer Auseinandersetzung mit dem Tod, jedoch mit grundlegend unterschiedlichen Perspektiven. Mayröcker sieht den Tod als 'Zerbrecher und Zerstörer', während Aichinger ihn als einen Zustand ersehnt, da sie ihre 'Existenz für vollkommen unnötig' hält. In Gesprächen mit der Journalistin Julia Kospach reflektieren die Dichterinnen über den Willen zur Existenz und zur Nicht-Existenz, Todesangst und Sterbensarten sowie den Zusammenhang zwischen Schreiben und Tod. Auch Daniel Spoerri thematisiert 'Letzte Dinge' in seinen Arbeiten, in denen er Tierknochen und Flohmarktfundstücke zu neuen Kontexten verbindet. Die Gespräche werden von Fotos einer neuen Serie von Spoerris Assemblagen begleitet. Friederike Mayröcker, geboren 1924, ist eine leidenschaftliche Vielschreiberin, die mit freien Assoziationen und surrealistischen Collagen experimentiert und über 80 Bände veröffentlicht hat. Ilse Aichinger, Jahrgang 1921, betont, dass der schwierigere Teil des Schriftsteller-Daseins im Nicht-Schreiben besteht. Ihre konzentrierten Werke thematisieren die von Verfolgung geprägten Jahre der Nazi-Zeit, Erinnerung und stets das Kino.
Mit der Zwillingsschwester in die Kapuzinergruft, mit dem nomadischen Urgroßvater durch den Kaukasus, mit Sigmund Freud ins Londoner Exil, mit der polnischen Putzfrau nach Oswiecim/Auschwitz: Während dreier Jahre - vom Attentat auf die New Yorker Zwillingstürme bis zum Literaturnobelpreis für Elfriede Jelinek - begibt sich Ilse Aichinger im Wiener Kaffeehaus „Demel“ auf Reisen. Reiseutensilien sind Stift und Papier, auf Speisekarten, Rätselheften und Einkaufstüten entstehen abenteuerliche Manuskripte. Reisegefährten sind Menschen, die sich während über 80 Jahren als „kräftige Schattenrisse“ in die Erinnerung eingeprägt haben. Die Routen führen, so direkt wie möglich und so „unglaubwürdig“ wie nötig, in die Topographie der eigenen Biographie - das wechselvolle Leben einer der wichtigsten Autorinnen der deutschen Nachkriegsliteratur.
Ilse Aichinger interpretiert das Märchen der Brüder Grimm neu, indem sie den Protagonisten, einschließlich des Wolfes und der Geißlein, eine Stimme verleiht. Ihre Version zeigt die Kindernaivität und bringt eine subtile Anarchie in die Geschichte, während sie das Grimmsche Märchen aus einem neuen Blickwinkel beleuchtet.