Fernand Braudel Bücher
Fernand Braudel war ein bedeutender französischer Historiker, der die Rolle umfassender sozioökonomischer Faktoren bei der Gestaltung historischer Erzählungen betonte. Als führende Persönlichkeit der Annales-Schule beeinflusste sein Werk die historische Forschung weltweit maßgeblich. Braudels Forschungen untersuchten langfristige Trends und geografische Einflüsse und verschoben den Fokus der Geschichtsschreibung hin zu einem tieferen Verständnis von Gesellschaften.







Fernand Braudel: "Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts". Bd. I: "Der Alltag". Aus dem Französischen von Siglinde Summerer, Gerda Kurz, Günter Seib. Kindler Verlag, München 1985. 671 S., zahlr. Abb., geb., 68,- DM
Mit guten Gründen hat man den Mittelmeer-Raum die „Wiege Europas“ genannt. Die Geschichte des Abendlandes hat von dort ihren Ausgang genommen. Zugleich liegen dort die Anfänge eines vielfältigen, spannungsvollen Austausches zwischen großen Kulturen. Die mediterrane Welt zeigt (geopraphisch, gesellschaftlich, ideengeschichtlich und politisch) nicht nur ein 'westliches' Gesicht, sondern auch ein 'östliches' und ein 'afrikanisches'; sie war und ist das Laboratorium nicht einer einzigen, sondern mehrerer Zivilisationen. Eben darin steckt ihre anhaltende Faszionationskraft, die den Reisenden genau so wie den Historiker lockt. Sie führt den anschaulichen Beweis für die Vielsprachigkeit der Lebensformen, für den Bildungsprozess kultureller Identität durch Widerspiel und Nachbarschaft, Öffnung und Selbstbehauptung. Davo handelt das vorliegende Buch, zu dem sich unter der Herausgeberschaft von Fernand Braudel drei hochrenommierte Autoren zusammengefunden haben. Deren Kennerschaft ist unangefochten wie deren überzeugende schriftstellerische Fähigkeiten. Das Ergebis dieser „geographischen, geschichtlichen und kulturellen Erkundungsreise“, wie Braudel es nennt, ist ein ebenso übersichtliches wie bestechendes Bildnis der mediterranen Regionen und Lebensweisen.
Ungefähr zweihundert Jahre lang, von 1450 bis 1650, hatte Italien eine Vorbildfunktion für ganz Europa. Malerei, Plastik, Architektur, Theater, Ballett, Oper und genauso Wirtschaft, Handel, Bankwesen und Wissenschaft folgten dem »Modell Italien«, das sich zunächst in den reichen Stadtstaaten voll entfalten konnte und dann auf ganz Europa übergriff. Kaufleute und Bankiers waren es, die den Weg bereiteten, auf dem erst die Handwerker, später die Künstler folgten. Von der Frührenaissance bis zum Beginn des Rokoko blieb Italiens Strahlkraft ungebrochen, und selbst in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs gingen von hier immer wieder neue Impulse aus, wurden hier die Maßstäbe für kulturelles und geistiges Schaffen gesetzt. Bild oder Wort - man kann unmöglich entscheiden, was bei diesem Bildband neuen Typs wichtiger ist: Der Name Braudel bürgt für einen eleganten, aber wissenschaftlich fundierten Text, der allein schon eine außergewöhnliche Leistung darstellt; die opulente, einfallsreiche Bildauswahl, die den Text mal illustriert, mal kontrastiert, wird selbst Kunstkenner überraschen. Wort und Bild ergänzen sich in fruchtbarer Weise zu einer neuen Qualität, die einem Geschichtswerk oder einem Kunstbuch allein nicht zueigen wäre.
Die Dynamik des Kapitalismus
- 106 Seiten
- 4 Lesestunden



