Warum ist der Tod eines Menschen immer eine Art Skandal? Warum ruft dieses ganz normale Ereignis bei jenen, die dabei Zeuge sind, ebensoviel Neugier wie Grauen hervor? Wie kommt es, daß man sich nicht längst an dieses natürliche und doch stets zufällige Geschehen gewöhnt hat? Warum sind wir jedesmal, wenn ein Lebender stirbt, so erstaunt, als geschehe dies zum ersten Mal? Das sind die Fragen, die sich der große französische Philosoph Vladimir Jankélévitch in seinem nun endlich auf deutsch erscheinenden philosophischen Hauptwerk stellt, das zugleich die Leitlinien seines gesamten Œuvre aufnimmt und bündelt. In jedem seiner Bücher hat er versucht, den Grenzfall, die Extremsituation zu erfassen und für sie Begriffe zu finden. Denn an dem Punkt, wo der Mensch an diese Grenzen rührt, ist er der äußersten menschlichen Erfahrung ausgesetzt, einer Erfahrung, in der das Geheimnis, das Unaussprechliche und das Ungewisse den übergang vom Sein zum Nichts oder vom Wesen in das Absolut-Andere aufzeigen. Vladimir Jankélévitch analysiert das Ereignis des Todes in seiner ganzen Banalität und Fremdheit, in seiner Widersprüchlichkeit und auch im Kontext der komplexen Auslegungen, die der Tod in der Geschichte der Philosophie erfahren hat.
Vladimir Jankélévitch Bücher
Ein Philosoph und Musikwissenschaftler, dessen Werk in die Tiefen der menschlichen Existenz eintaucht. Sein Schreiben zeichnet sich durch aufschlussreiche Analysen und tiefgründige Betrachtungen über die Natur von Zeit und Moral aus. Jankélévitch erforscht die feinen Nuancen menschlicher Erfahrungen und konzentriert sich oft auf die Komplexität von Emotionen und ethischen Dilemmata. Seine Arbeit bietet eine einzigartige Perspektive darauf, was es bedeutet, menschlich zu sein.







Was unterscheidet die Ironie von der Komik oder vom Zynismus? Wie lässt sie sich überhaupt verstehen und bestimmen? Vladimir Jankélévitchs großer Text über die Ironie steht in der brillanten Tradition französischer Essayistik. Ungeheuer gelehrt, geht er dem Phänomen der Ironie in all seinen Facetten nach. Von Sokrates bis zur Romantik und zu Kierkegaard werden zentrale philosophische und literarische Behandlungen der Ironie durchmessen. Sie wird von Jankélévitch vom Zynismus oder der Albernheit unterschieden und als ein freudvoller, spielerischer Bewusstseinszustand aufgefasst. Dieser kann sich jedoch nur dann einstellen, wenn die »vitale Dringlichkeit« ( l'urgance vitale ), also die unmittelbare und die spielerische Distanz abbauende Nötigung von Instinkt, Trieb, Leid oder Krankheit, überwunden ist. Ironie ist für Jankélévitch eine Form der Erkenntnis und der Muße, die den Ernst des Lebens überschritten hat.
Was ist Musik? Bedeutungslose Unterhaltung oder eine chiffrierte Sprache, die Hieroglyphe eines Mysteriums? Ist ihr Zauber Betrug oder Grundlage einer Weisheit? Das sind die tiefen Fragen, denen der bedeutende französische Philosoph Vladimir Jankélévitch in seinem musikphilosophischen Meisterwerk auf den Grund geht. Erstmals 1961 in Frankreich erschienen, ist es nun endlich in deutscher Übersetzung zu entdecken. In der Musik gibt es für Jankélévitch eine doppelte Komplikation, die metaphysische und moralische Probleme bewirkt: Musik ist zugleich ausdrucksvoll und ausdruckslos, tiefgründig und oberflächlich, sie hat einen Sinn und doch auch keinen. Wie das Leben wird sie in die Zukunft gelebt beziehungsweise gehört, aber in die Vergangenheit hinein verstanden. Jede neue Erfahrung, jeder neue Ton kann das Vorherige in seiner Bedeutung verändern. Mit einer Reflexion über Musik und Stille endet dieses hochpoetische Buch, das heute als die bedeutendste musikphilosophische Schrift französischer Sprache des 20. Jahrhunderts gilt und unter anderem Emmanuel Levinas und Roland Barthes beeinflusst hat.
Vladimir Jankélévitch wird in Frankreich als einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts angesehen, obwohl er lange Zeit als „heimatloser Philosoph“ galt, der sich nicht um öffentliche Anerkennung bemühte. Seine Prägung durch Henri Bergson ist unverkennbar, sowohl in seiner Sprache als auch in seinem Denken, das stets in Bewegung ist und einen permanenter Neubeginn anstrebt. Jankélévitch war ein Denker des Engagements, stark beeinflusst von seinen Erfahrungen in der Résistance. Seine Themen umfassen den Tod, die Liebe und die Lüge, wobei das Verzeihen im Mittelpunkt steht. Die Vernichtung der Juden stellte für ihn einen Kulturbruch dar, der die Grenzen des Verzeihens überschritt. Nach dem Krieg brach er alle Verbindungen zu Deutschland ab und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1985 unversöhnt. Anlässlich seines hundertsten Geburtstags wird eine Auswahl seines Denkens präsentiert, das sowohl herausfordernd als auch unbequem ist. Für deutsche Leser ist Jankélévitch sowohl eine Entdeckung als auch eine Herausforderung, da er es versteht, seine weitreichenden Themen packend darzulegen.
Vladimir Jankélévitch, ein bedeutender französischer Philosoph jüdisch-russischer Herkunft, wird für seine tiefgreifenden Gedanken über Themen wie Verzeihen, Lüge und Tod geschätzt. Während er in Frankreich als zentraler Denker des 20. Jahrhunderts anerkannt ist, fand seine Philosophie in Deutschland erst spät Beachtung. Besonders bemerkenswert ist, dass eine deutsche Übersetzung seiner politischen Schriften bislang fehlt, was seine Rezeption in Deutschland stark einschränkt.
Zauber, Improvisation, Virtuosität
Schriften zur Musik
Das Ich-weiß-nicht-was und das Beinahe-Nichts
Band 1: »Manier und die Gelegenheit«<br>Band 2: »Das Verkennen. Das Missverständnis«<br>Band 3: »Willen zu Wollen«<br>Alle drei Bände in einem Band
Durch sein gesamtes Werk zeigt sich Jankélévitch als der konsequenteste Denker des Todes, und weil man dieses Äußerste nicht »denken« kann, musste Jankélévitch nichts weniger als die ganze Philosophie neu denken. All die jahrhundertealten Disziplinen, von der Ontologie über die Ethik, die Moralphilosophie und die Ästhetik bis hin zur Theologie, wurden von Jankélévitch vom Horizont des Todes her in Frage gestellt und in diesem Licht geradezu neu erfunden. Eine Entsprechung des Todes im Alltag ist der »Augenblick«. In ihm kann eine Gegenwart des Undenkbaren begegnen, die in der extremsten Form als mystische Intuition wahrgenommen wird. In der alltäglichen Form begleiten das »Ich-weiß-nicht-was« und das »Beinahe-Nichts« den Augenblick. In diesem Band geht Jankélévitch also der Alltäglichkeit nach. Die drei Überschriften dafür lauten: »Die Manier und die Gelegenheit« – »Das Verkennen / Das Missverständnis« – »Der Wille zu wollen«.
»Lügen ist die Muttersprache unserer Vernunft und Witzes«, schreibt Hamann an Kant. Die Lüge ist nicht das Gegenteil der Wahrheit, sondern eng mit ihr verbunden. Sie ist kein einfaches Urteil von ›wahr‹ oder ›falsch‹, sondern ein kommunikativer Akt, der mit der Absicht zu täuschen eine neue emotionale und kognitive Realität schaffen will. Vladimir Jankélévitch untersucht in seinen Überlegungen zur Lüge die innere mentale Verfasstheit des Lügners und beleuchtet die subjektive Seite des Lügens. Unser Bewusstsein sucht nach dem Polymorphen und Missverständlichen und erfindet etwas Glaubhaftes. Die Lüge wird als »die List der Schwachen« beschrieben, als rettende Idee in Notwehrsituationen, aber auch als »innere Flucht« und »Opium der geringsten Anstrengung«. Laut Jankélévitch gibt es zwei Wege, mit der Lüge umzugehen: die schmerzhafte Aufrichtigkeit oder das Verschmelzen von Lüge und Wahrheit bis zur Ununterscheidbarkeit. Ironie bietet einen Ausweg aus der Verstrickung zwischen Lügner und Belogenen, da sie das Bewusstsein zur Innerlichkeit führt, während die Lüge ins Äußere zieht. Jankélévitchs Gedanken zur Lüge spiegeln seinen einzigartigen philosophischen Ansatz wider, der in der Tradition von Bergson und Simmel steht, aber eine eigene Lebensphilosophie verkörpert.