Wer einmal [.] mit der Seele in Indien gewesen ist, dem bleibt es ein Heimwehland, an welches jedes leiseste Zeichen ihn mahnend erinnert. Hermann Hesse Das Phänomen des Fremden im Schaffen Hermann Hesses (1877-1962) bildet vor allem der altasiatische Geist. Im Mittelpunkt des Interesses des Dichters stehen erst die indische, dann die chinesische Lebens- und Denkart. In der Monographie werden die fernöstlichen Elemente in seinen Werken unter dem Aspekt der indischen Geistigkeit untersucht.
Der daoistische Grundgedanke der Einheit der Polaritäten prägt das Werk von Hermann Hesse, dem einzigen europäischen Dichter, der chinesisches Gedankengut adäquat verarbeitet hat. Die Autorin untersucht seine bipolare Weltauffassung im Kontext fernöstlicher Philosophie und zeigt den Einfluss des Daoismus auf die Struktur seiner Werke. Dies geschieht durch die Analyse der Romane „Demian“ und „Der Steppenwolf“. Dabei wird auch der Einfluss der indischen Kultur und der Psychoanalyse betrachtet, wobei die Autorin feststellt, dass die Übernahme indischer Gedanken und die Rolle der Psychoanalyse in Hesses Romanen oft überbewertet wurden.
Die Verfasserin beschreibt Hesses Auseinandersetzung mit der chinesischen Philosophie und Kultur, die seine geistige Orientierung in der zweiten Lebenshälfte und sein dichterisches Schaffen beeinflusste. Die Einheit der Polarität wird für Hesse zum Weg zur Menschwerdung. In „Demian“ manifestiert sich Polarität nicht nur thematisch, sondern auch in der Figurenkonzeption, der Handlungsstruktur und der Sprache. Auch der räumliche und seelische Dualismus wird untersucht. Im „Steppenwolf“ wird der daoistische Yin- und Yang-Antagonismus nachgewiesen, wobei Harrys innere Pole den Einfluss des Daoismus auf Hesses Schaffensphase verdeutlichen. Die „coincidentia oppositorum“ wird von Hesse mit Magie assoziiert, während Humor als eine andere Form der Magie zur Einheit der Pole beiträgt.