Revolution
Eine Geistesgeschichte
Enzo Traverso ist ein führender zeitgenössischer Historiker und Theoretiker, dessen Werk sich tiefgehend mit der Natur des Totalitarismus, der Gewalt und den komplexen Gruppendynamiken in historischen Konflikten auseinandersetzt. Er schöpft aus einem breiten Spektrum von Disziplinen, darunter Politikwissenschaft und Soziologie, um die Wurzeln und Erscheinungsformen extremistischer Ideologien und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zu analysieren. Sein Schreiben zeichnet sich durch einen durchdringenden analytischen Ansatz aus, der darauf abzielt, die dunkleren Aspekte der modernen Geschichte zu verstehen, um ihren anhaltenden Einfluss zu beleuchten. Traversos Beiträge werden für ihre intellektuelle Strenge geschätzt und helfen den Lesern, sich mit zentralen Herausforderungen des 20. und 21. Jahrhunderts auseinanderzusetzen.







Eine Geistesgeschichte
Postfaschismus, Identitätspolitik, Antisemitismus und Islamophobie. Gespräche mir Régis Meyran
Fast überall in Europa sind neue rechtsradikale Bewegungen und Parteien entstanden, die teilweise über einen erheblichen Massenanhang verfügen. Da ihre Ideologie und Praxis im Unterschied zu ihren historischen Vorläufern weniger die gewaltsame Überwindung des Systems zum Ziel hat, sondern sie es von Innen autoritär umbauen wollen, reden die Medien häufig von Rechtspopulisten. Sie sind eine Sumpfpflanze der neoliberalen Globalisierung und der damit einhergehenden heftigen sozialen Erschütterungen. Als Feinde werden diesmal weniger die Juden als vielmehr die Migranten und Geflüchteten ausgemacht, zumal wenn sie aus muslimischen Ländern kommen. Überhaupt strukturiert die Islamfeindlichkeit die neuen europäischen Nationalismen. Im zweiten Teil des Buches beschäftigt sich der Autor mit der Ideologie und Politik des Islamismus und des Islamischen Staates. Diskutiert wird die Frage, welches die Ähnlichkeiten und die Unterschiede zum Faschismus und zu den neuen rechtsradikalen Parteien und Bewegungen sind
Über die Stärke einer verborgenen Tradition
Die jüdische Moderne entwickelte sich während der Aufklärung und des Zweiten Weltkriegs, zwischen den Debatten zur jüdischen Emanzipation und dem Genozid der Nazis. In diesen zwei Jahrhunderten war sie im Herzen Europas verankert und zeichnete sich durch eine außergewöhnliche intellektuelle, literarische, wissenschaftliche und künstlerische Vielfalt aus. Doch der Werdegang der jüdischen Moderne ist erschöpft. Nachdem Juden und Jüdinnen als Heimstätte des kritischen Denkens galten, fanden sie sich paradoxerweise auf der Seite der Herrschaft wieder. Intellektuelle wurden zur Ordnung gerufen, während sich Subversive oft zu Konservativen wandelten. Antisemitismus ist nicht mehr zentral in westlichen Kulturen; stattdessen dominiert Islamfeindlichkeit als vorherrschende Form des Rassismus im 21. Jahrhundert. Die Erinnerung an den Holocaust hat sich zur „zivilen Religion“ liberaler Demokratien entwickelt und aus dem ehemaligen „Paria-Volk“ eine respektierte Minderheit gemacht, die als Erbin einer Geschichte gilt, nach der der demokratische Westen seine moralischen Werte beurteilt. In diesem richtungsweisenden Essay analysiert Enzo Traverso diese historische Metamorphose und regt zum Nachdenken über eine zu Ende gegangene Erfahrung an, um ihr Vermächtnis zu bewahren, das sowohl durch sterile Kanonisierung als auch durch konservative Konfiszierung bedroht ist.
Zur Interpretation der Gewalt im 20. Jahrhundert
Mit dem Fall der Mauer 1989 endete das 'kurze 20. Jahrhundert', das mit dem Ersten Weltkrieg begann. Die bis dahin antikommunistisch und eurozentrisch geprägte Geschichtsschreibung sah sich gezwungen, ihre Paradigmen und Methoden zu hinterfragen und ihre Zeitperiodisierungen zu revidieren. Die Globalisierung rückte wirtschaftliche und kulturelle Netzwerke außerhalb Europas in den Fokus. Enzo Traverso analysiert die Ansätze und Interpretationen des 20. Jahrhunderts von bedeutenden Denkern wie Giorgio Agamben, Hannah Arendt und Walter Benjamin. Er kritisiert eine Geschichtsschreibung, die der Ideologie der Sieger folgt, und plädiert für die Perspektive der vorläufigen Verlierer, inspiriert von Walter Benjamin. Traverso, geboren 1957 in Gavi (Piemont), ist Professor für Politische Wissenschaften und Zeitgeschichte an der Cornell University in New York und gilt als internationaler Spezialist für die Weltkriege und den Holocaust. Seine Werke sind in über einem Dutzend Sprachen erschienen, darunter Titel wie „Die Juden und Deutschland“ und „Auschwitz denken“. Traverso hat auch zahlreiche Artikel in Sammelbänden und Fachzeitschriften veröffentlicht.
Die Brutalisierung der Welt im 20. Jahrhundert Eine radikal neue Perspektive auf das Zeitalter der Weltkriege und totalitären Regime in Europa. Enzo Traverso entfaltet ein Panorama der Jahre zwischen 1914 und 1945, die für ihn zur Epoche eines großen europäischen Bürgerkriegs verschmelzen. Enzo Traverso gelingt mit dieser Geschichte der europäischen Gewalt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein großer Wurf. Der italienische Historiker bietet einen neuen Ansatz, um zu verstehen, wie die Zivilgesellschaften des europäischen Kontinents innerhalb weniger Jahrzehnte an den Abgrund geraten konnten. Überzeugend deckt er Verbindungslinien zwischen politischen Prozessen und Entwicklungen in Literatur, Philosophie, Kunst und Film auf, die sich über alle ideologischen Lager erstreckten. Die Spirale der Brutalität in Worten, Bildern und Taten drehte sich immer schneller, bis an ihrem Ende schließlich der Holocaust stand. Das Buch macht eindrucksvoll bewusst, dass die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts allein aus einem nationalen Kontext heraus nicht zu verstehen sind. Die beiden Weltkriege und die verschiedenen totalitären Regime erscheinen als Teil einer gemeinsamen europäischen Geschichte, die in den Sog eines gewalttätigen Denkens geraten war. • Ein neuer Blick auf die europäische Geschichte • Ein packendes Buch über die abgründige Verbindung von Kunst und Politik.
Kulturindustrie, Museen, Gedenktage und Lehrprogramme tragen dazu bei, aus der Erinnerung an die Vergangenheit eine Art ziviler Religion unserer Gesellschaften werden zu lassen. Diese Religion erfüllt häufig eine apologetische Funktion: die Erinnerung an die Totalitarismen zu erhalten, um die liberale Ordnung zu rechtfertigen, die besetzten Gebiete zu legitimieren, um einen neuen Holocaust zu verhindern, in den Irak einzumarschieren, um München nicht zu wiederholen. Aber es gibt auch andere Wege der Erinnerung, diskreter, manchmal unterirdisch, entschieden kritisch, die den roten Faden der Erfahrungen von Gleichheit, Utopie und der Revolte gegen Herrschaft übermitteln. Mit einem Jahrhundert der Barbarei konfrontiert, fordert die Erinnerung ihre Rechte auf die Vergangenheit. Diese Erinnerung hat eine intellektuelle Debatte hervorgerufen, deren Linien Enzo Traverso in seinem Buch rekonstruiert: von Halbwachs zu Ricoeur, von Benjamin zu Yerushalmi. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts – Faschismen, Shoah, Kolonialismus – erläutert der Text die Verbindungen zwischen den verschiedenen Segmenten der kollektiven Erinnerung, der Geschichtsschreibung und der Erinnerungspolitiken.