Miroslav Volf
25. September 1956
Miroslav Volf (* 25. September 1956 in Osijek, Jugoslawien, heute Kroatien) ist ein einflussreicher kroatischer evangelikaler, anglikanischer Theologe, bekannt für seine Arbeiten innerhalb der Systematischen Theologie. Aufgrund seiner Erfahrungen im Kroatienkrieg hat er eine Theologie der Vergebung und Gewaltlosigkeit entwickelt. Gegenwärtig hat er die Henry B. Wright-Professur für Systematische Theologie an der Yale University inne und ist Direktor des Yale Center for Faith and Culture, das er auch gegründet hat.
Volf wurde im kroatischen Osijek geboren und wuchs im kommunistischen Jugoslawien als Sohn eines Pastors einer Pfingstkirche auf. Nach eigener Aussage lebte die Familie in einfachen Verhältnissen und seine Eltern erfuhren aufgrund ihres christlichen Glaubens politischen Druck von Seiten der jugoslawischen Regierung. Volf beschreibt seine Familie rückblickend als Teil einer Minderheit (der Pfingstkirche), die wiederum einer Minderheit (der Kirche in Jugoslawien) angehörte.In Interviews beschreibt Volf seine Eltern als stark gläubige Menschen, deren Leben geprägt war von Integrität, hingebungsvollem Glauben und dem Streben nach einem gottgefälligen Leben, obwohl sie in widrigen politischen und sozialen Umständen lebten. Er berichtet davon, dass seine Familie viel Unrecht erlebte; u. a. kam Volfs Bruder im Alter von 5 Jahren durch das fahrlässige Handeln eines Soldaten der jugoslawischen Armee ums Leben. Laut Volf haben seine Eltern in ihrem Glauben die Kraft gefunden dem Soldaten zu vergeben. Die Erfahrungen seiner Eltern und ihr Umgang damit, sowie ihre Religiosität sind für Volf laut eigener Aussage ein wichtiger Einfluss gewesen. Er führt sein eigenes Interesse am christlichen Glauben darauf zurück, dass er mit Vorbildern aufgewachsen sei, die ihm ein authentisches Christsein vorgelebt haben. Insbesondere die Haltung und Praxis der Vergebung, die er bei seinen Eltern kennen gelernt habe, beeinflussten sein eigenes Konzept von Vergebung, das er später als Theologe bearbeitete.Volf selbst erlebte eigener Aussage nach seine Schulzeit als Außenseiter, da er der einzige bekennende Christ an seiner Schule gewesen sei. Als Jugendlicher wurde er stark beeinflusst durch seinen späteren Schwager Peter Kuzmić, einem führenden osteuropäischen evangelikalen Theologen, der unter anderem das evangelisch-theologische Seminar in Osijek gegründet hatte, an dem Volf später seinen Bachelor machte. Volf absolvierte 1977 einen Bachelor-Abschluss an der evangelisch-theologischen Fakultät (Evangelical Theological Faculty) in Osijek (Kroatien) mit der Auszeichnung summa cum laude. Ein Jahr später absolvierte er einen Master-Abschluss am Fuller Theological Seminary in Pasadena (Kalifornien), ebenfalls ausgezeichnet mit summa cum laude. Von 1979 bis 1991 lehrte er am evangelisch-theologischen Seminar in Osijek, zunächst als Dozent und später als Professor für systematische Theologie. Von 1984 bis 1989 war er gleichzeitig Herausgeber einer christlichen Zeitschrift. 1986 wurde ihm der Titel Doktor der Theologie durch die Universität Tübingen verliehen, sein Doktorvater ist Jürgen Moltmann. Auch für seine Doktorarbeit erhielt er die Auszeichnung summa cum laude. Ab 1991 lehrte er als Associate Professor systematische Theologie am Fuller Theological Seminary, wo er bereits seinen Master-Abschluss erworben hatte. Im Jahr 1994 folgte die Habilitation unter Jürgen Moltmann an der Universität Tübingen (ohne Auszeichnung). 1997 wurde er Professor für systematische Theologie am Fuller Theological Seminary. 1998 erhielt er die Henry B. Wright-Professur für systematische Theologie an der Yale Divinity School in New Haven (Connecticut), die er bis heute innehat. 2003 gründete er das Yale Center for Faith and Culture an der Yale Divinity School, dessen Leiter er bis heute ist.Volf engagiert sich zudem bei ökumenischen und interreligiösen Gesprächen, um sich theologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart zu stellen. So war er 2015 Hauptreferent der Studientage des Instituts für ökumenische Studien der Universität Fribourg und des Studienzentrums für Glaube und Gesellschaft. Zwischen dem Master of Arts 1979 und dem Doktorat an der Universität 1986 leistete Volf in Jugoslawien Militärdienst, wo er aufgrund seines christlichen Glaubens und seines Auslandsstudiums starken Pressionen ausgesetzt war. Er berichtet in Interviews davon, dass er als Spion galt und monatelang beobachtet und unter starkem psychischem Druck verhört wurde. Diese Erfahrungen verarbeitete er theologisch in seinem Buch The End of Memory: Mistreatment, Memory, Reconciliation. 1991 – Volf lehrte am evangelisch-theologischen Seminar Osijek – musste das gesamte Seminar aufgrund der Jugoslawienkriege aus Osijek fliehen und kam in ein abgelegenes Pfarrhaus in Slowenien, wo Volf mit seiner Frau und sechs Studierenden in einem Raum lebte, während sie im Fernsehen militärische Angriffe auf Osijek verfolgten. Volf selbst gehörte nicht zu den Konfliktparteien innerhalb der Bevölkerung, die sich während des Krieges in katholisch-kroatisch noch serbisch-orthodox spalteten, da er einer traditionell pazifistischen Freikirche angehörte. Jedoch erlebte er, wie sich seine Studierenden und sein persönliches Umfeld durch den Krieg in Serben und Kroaten spalteten. Diese ethnischen Konflikte, die Erfahrungen mit Krieg, Gewalt und Unrecht prägen Volfs Theologie bis heute. Er nennt seine persönlichen Erfahrungen und den Versuch mit dem eigenen Wunsch nach Vergeltung umzugehen als Grund für seine theologische Auseinandersetzung mit Themen wie Unrecht, Gewalt und Vergebung. Er habe von seinen frühen Vorbildern (v. a. von seinen Eltern) gelernt, was er später in seinen theologischen Arbeiten zur Vergebung den Willen zur Umarmung (will to embrace) nennt.