Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert kehrt das lange überwunden geglaubte tragische Schicksal auf die Bühnen Europas zurück, was sowohl im literarisch ambitionierten als auch im volkstümlichen Theater zu beobachten ist. Diese Wiederkehr entwickelt sich zu einem Triumph, dokumentiert durch zahlreiche Texte und Dramen, die die Faszination der Schicksalsthematik um 1800 widerspiegeln. Historiker sehen in dieser Hinwendung zum Schicksal und Irrationalen ein Symptom für eine tiefere geistige und kulturelle Krise, die eng mit den politischen und sozialen Umwälzungen der Zeit verknüpft ist. Bisherige Deutungen konnten jedoch nicht vollständig überzeugen. Die hier präsentierten Untersuchungen bieten eine kritische, supranationale Sicht auf das literarhistorische Phänomen des 'Schicksalsdramas'. Ausgangspunkt sind mehrere Studien zu philosophischen und ideologischen Hintergründen sowie zur literarischen Tradition. In vierzehn Beiträgen wird das Fatum sowohl in der 'Hochliteratur' als auch im 'trivialen' Schicksalsdrama der europäischen Literaturen eingehend betrachtet. Der Band dient als Materialsammlung, die eine fundierte Überprüfung der Thesen zum europäischen Schicksalsdrama ermöglicht.
Roger Bauer Bücher






Die schöne Décadence
Geschichte eines literarischen Paradoxons
Trotz zahlreicher Untersuchungen des Komplexes aus L'art pour l'art, Décadence und Ästhetizismus fehlt eine umfassende Analyse, die zeitgenössische französische Quellen einbezieht und die Begriffe sowie deren gesellschaftlichen Kontext paradigmatisch aufbereitet. Der Autor, ein erfahrener Wissenschaftler und Professor, beleuchtet die Paradoxie dieses Phänomens in seiner historischen Entfaltung. Im 19. Jahrhundert wurden zuvor als negativ betrachtete Verfallsepochen, insbesondere die römische, als Quelle absoluter Schönheit entdeckt. Historische und ästhetische Topoi erlebten grundlegende Bedeutungswandel; Flaubert pries Nero als größten Dichter, während Heine und Mallarmé die „Teufelin“ Herodias-Salome verherrlichten. Gefährliche und hässliche Aspekte der Natur, wie Sümpfe, inspirierten Poeten zur Entwicklung einer Ästhetik des Verfalls, die Schönheit und Morbidität vereinte. Das Treibhaus wurde zur Metapher für diese hybride Natur. Die „belles fièvres“ Venedigs führten zu körperlicher und seelischer Verwirrung bei D'Annunzio und Thomas Mann. Doch die anfängliche Verklärung des Verfalls wurde bald ironisch und parodistisch behandelt. Die décadence geriet in die Nähe der als negativ betrachteten dégénérescence. Während um 1880 décadence zu einem Modewort wurde, wandten sich wichtige Autoren von dieser Tendenz ab und kehrten zu traditionellen Werten zurück. Die endgültige Verdammung der décadence kam durch Leo Tolstoi.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verändert sich die Literatur und bildende Kunst in Europa hin zu klassizistischer Zeichensprache. Winckelmanns Neuentdeckung klassischer Modelle als ästhetische und ethische Norm ist nur der Höhepunkt einer breiten internationalen Bewegung. Die in diesem Band präsentierten Studien verdeutlichen die Vielfalt dieser Entwicklungen in den europäischen Ländern und ermöglichen eine Standortbestimmung des deutschen Neoklassizismus. Im Vergleich zu Frankreichs politischem Klassikverständnis wird die deutsche Tendenz zur Ästhetisierung und Verinnerlichung deutlicher. Rom und Sparta stehen exemplarisch gegen ein idealisiertes Griechentum. Das Theater, als Gattung, die eng mit der Realität verbunden ist, reagiert lebhaft auf zeitgenössische Bedürfnisse. An der Schnittstelle von Doktrin und Mode spiegeln sich kollektive Wunsch- und Leitbilder in ästhetischer Form wider. Die „Klassizismen“ der europäischen Bühnen um 1800 bieten ein Repertoire idealtypischer Inszenierungen der politischen und persönlichen Existenz in der Übergangszeit zwischen Aufklärung und Romantik. Diese Materialsammlung dient zudem der geschichtlichen Ortung des Terrains und berücksichtigt die unterschiedlichen realpolitischen, psychologischen, ästhetischen und pädagogischen Traditionen der europäischen Kulturbereiche. Dadurch wird ein abgehobenes Denken in rein artistischen Kategorien einer fundierten sozialgeschichtlichen Kri
Inhalt: «Shakespeare, Nature's Child»: Der ästhetische Naturbegriff in der Shakespeare-Kritik des 18. Jahrhunderts von Wolfgang Weiss (München) - Shakespearian Adaptations and the Tyranny of the Audience by Brian Vickers (ETH, Zürich) - Shakespeares Geschichtsvision in romantischen Brechungen: Die Rezeption der Historien in England 1800-1825 von Ina Schabert (München) - Shakespeare, Voltaire, Baretti und die Kontextabhängigkeit von Rezeptionsaussagen von Klaus W. Hempfer (Berlin) - Un rendez-vous manqué: Shakespeare et les Français au XVIIIème siècle par Martine de Rougemont (Paris) - «O Treason of the Blood»: Reverberations of «Othello» through the German Drama of the Eighteenth Century by Ilse Graham (London) - «The fairy way of writing»: Von Shakespeare zu Wieland und Tieck von Roger Bauer (München) - Herders Shakespeare-Interpretation: Von der Dramaturgie zur Geschichtsphilosophie von Wolfgang Proß (München) - Shakespeare in Weimar von Eckhard Heftrich (Münster) - «So macht Gewissen Feige aus uns allen»: Stufen und Vorstufen der Shakespeare-Übersetzung A. W. Schlegels von Jürgen Wertheimer (München) - Adam Müllers Shakespeare: Ein Verbündeter im romantischen Kampf gegen Napoleon von Johannes von Schlebrügge (München) - Shakespeare in der russischen Dichtung des Goldnen Zeitalters (1808-1840) von Efim Etkind (Paris) - Shakespeare in französischem und deutschem Gewande bei Polen, Russen und Tschechen von Hans Rothe (Bonn).