Montesquieu und der Geist der Gesetze
- 105 Seiten
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Im Zeitalter der Aufklärung, schreibt Kondylis, stellt sich das Problem der Sinnlichkeit auf eine besonders dringliche Weise, und so auch dasjenige ihrer Beziehung zum Geist. »Die Aufklärung musste diese Frage so nachdrücklich stellen, da in der Rehabilitation der Sinnlichkeit eine ihrer wichtigsten weltanschaulichen Waffen im Kampfe gegen die theologische Ontologie und Moral bestand. Zugleich lag hier einer der Nervenpunkte neuzeitlichen Denkens überhaupt. Denn die Rehabilitation der Sinnlichkeit warf ungeheure logische Probleme auf, deren Bewältigung um so dringender war, je unumgänglicher und unentbehrlicher die genannte Rehabilitation in dieser oder jener Form erschien.« Geleitet durch die Grundannahme, Denken sei wesentlich polemisch, nimmt Kondylis die verschiedenen Positionen dieser Diskussionen unter die Lupe, denn die Vielfalt der Antworten, der sich die Frage nach der Einheit der Aufklärung stellen muss, erschließt sich am besten von den polemischen Bedürfnissen der Fragenden aus.
In seinem 1991 erstmals veröffentlichten Werk untersucht der Philosophie- und Sozialhistoriker Panajotis Kondylis die sozialen und geistigen Wandlungen seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und zeigt deren strukturelle Einheit auf. Diese Entwicklungen führen zu einem Paradigmenwechsel: Anstelle der bürgerlich-liberalen Denk- und Lebensform dominiert im 20./21. Jahrhundert die egalitär-massendemokratische Konsumhaltung mit ihren Wohlstandsversprechungen. Die Überwindung der Güterknappheit schafft eine historisch einmalige Situation des Massenkonsums, der das postmoderne System antreibt. Die zentrale These besagt, dass der ökonomische Erfolg bürgerlicher Werte von Freiheit und Gleichheit gleichzeitig deren Niedergang verursacht. In einem verbreiteten Hedonismus fehlen ästhetische und ethische Vorbehalte, und die Analyse der politischen Realität wird durch universale Kommunikation ersetzt, die von der Hoffnung auf Weltfrieden geprägt ist. Im Zeitalter der pluralistischen Massendemokratie eröffnen sich neue Perspektiven auf die globale Gesellschaft, in der jedoch nicht der Handel den Krieg ablöst, sondern die Verteilungskämpfe zunehmen. Das Werk erhebt sowohl einen historischen und geistesgeschichtlichen als auch einen methodologischen Anspruch, indem es die Zusammenhänge zwischen sozialer, kultureller und raumzeitlicher Wahrnehmung beleuchtet.
Der deutsch-griechische Privatgelehrte Panajotis Kondylis verfasste bis zu seinem überraschenden Tod 1998 bedeutende Werke zur Philosophie- und Politischen Ideengeschichte, insbesondere zur Aufklärung, dem Konservatismus und der Metaphysik-Kritik. Sein dreibändiges Hauptwerk zur Sozialontologie kann nun nur als Torso mit dem vollständigen ersten Band veröffentlicht werden. Eine Sozialontologie muss eine Tiefendimension beschreiben, die zeitlose Grundgegebenheiten menschlichen Verhaltens von der Urhorde bis zur Gegenwart erkennbar macht. Der Autor zeigt im ersten Kapitel, dass die Sozialtheorien des 20. Jahrhunderts, wie Kommunikationstheorie und ökonomistische Ansätze, keinen Beitrag dazu leisten, da sie strukturelle Entsprechungen zur modernen Massengesellschaft aufweisen und ideologischen Charakter besitzen. Im zweiten Kapitel analysiert er sozialwissenschaftliche Erkenntnisse aus Philosophie und Soziologie und identifiziert drei ontische Aspekte des Sozialen: soziale Beziehung, Politisches und Mensch. Diese sind gleichursprünglich und miteinander verflochten, weshalb ihrer Darstellung keine feste Reihenfolge zugrunde liegt. Kondylis beginnt mit der sozialen Beziehung und bietet strenge, scharfsinnige Analysen bekannter Sozialtheorien sowie umfassende Belege aus der europäischen Geistesgeschichte und Ethnologie. Seine Arbeiten führen auf die Sozialontologie hin, die den Anspruch erhebt, eine umfassende Analyse des Sozialen z
Panajotis Kondylis analysiert in seiner geistesgeschichtlichen Untersuchung die Theorien zum Krieg von Clausewitz über Marx und Engels bis hin zu Lenin. Er beleuchtet die Armee, die gesellschaftlichen Auswirkungen des Krieges und die Strategien der Kriegsparteien, während er auch die anthropologischen Faktoren, die zum Krieg führen, thematisiert.
Zwei Studien
Gespräche
Panajotis Kondylis, der griechische Philosoph und Ideentheoretiker, wusste: Nur durch einen totalen existenziellen Einsatz, eine wachsame Beobachtung konkreter, stets geschichtlich bedingter Situationen und lebendiger, um ihre Selbsterhaltung und dabei notgedrungen auch um die Erweiterung ihrer Macht bestrebter Menschen sowie durch eine unaufhaltsame Filtrierung der Beobachtungen mit strenger Reflexion, die vor keinem Vorurteil kapituliert und keinen Konflikt scheut, gelangt der Geist zur Reife und entgeht der normativen Bindung. In den drei in den 1990er-Jahren geführten Interviews präsentiert sich dieses Wissen in praktischer Vollendung und bietet zugleich einen grundlegenden Einstieg in das Denken Kondylis’ – ein Denken, das sich Philosophie, Anthropologie, Ökonomie und Geschichte zunutze macht, ohne sich den Disziplinengrenzen zu beugen. Ein Denken, das die politisch-ideologischen Strömungen und Theorien der Vergangenheit durchleuchtet, um ihre Bedeutung für die Gegenwart und den Einfluss, den sie auf das Heute haben, offenzulegen. Ein Denken, das an kein Ende kommt und sich als ein geradezu planetarisches erweist.