Jacopo Tintoretto und die Kirche der Madonna dell'Orto zu Venedig
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Die vielschichtige Rezeption von Michelangelos Fresko Das Jüngste Gericht in der Cappella Sixtina fand im Chor der venezianischen Kirche Madonna dell'Orto durch Jacopo Tintoretto einen besonders augenfälligen Reflex. Die Entstehungsgeschichte des dort aufgestellten monumentalen Bilderpaares sowie dessen Anbringungsort geben nicht nur Aufschluß über Tinorettos Selbstverständnis als Maler, sondern vermitteln auch einen Einblick in sein intellelktuelles Umfeld und seine religiösen Überzeugungen. In der kunsthistorischen Forschung sind Tintorettos Chorbilder in der Madonna dell'Orto Gegenstand divergierender Meinungen geblieben. Nicht nur die Koppelung von Gerichtsdarstellung und Mosesthema gilt als ungewöhnlich, umstritten ist neben der Datierung auch der Hintergrund ihrer Entstehung. In der vorliegenden Studie wird daher der Versuch unternommen, die Genese der Gemälde im Lichte zeitgenössischer Quellen zu rekonstruieren. Ausgehend von Giorgio Vasari kann zum einen gezeigt werden, daß das Bilderpaar einen frühen Werkkomplex Tinorettos bildet, der seinen späteren und heute bekannteren Dekorationen ebenbürtig ist. Zum anderen werden neue Zusammenhänge aufgedeckt, die eine Datierung der Gemälde zulassen. Ausführlich wird darüber hinaus Tintorettos intellektuelles Umfeld, aus dem er wichtige Anregungen für die Chorbilder erhalten hat, beleuchtet. In diesem Zusammenhang werden auch das Verhältnis des Künstlers zu den weltlichen Kanonikern der Madonna dell'Orto und deren theologische Position in venedig genauer untersucht. Ein Exkurs zu Pontormo zeigt das virulente, künstlerische Wetteifern mit Michelangelo auf und verdeutlicht, wie sehr Künstler von den drängenden religiösen Fragen im Cinquecento mitgerissen wurden