Logik des Leidens
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Noch immer betrachten Medizin und Psychotherapie vorrangig Krankheit bzw. Störung am hilfesuchenden Menschen; noch immer verkennen sie, daß diese Menschen nicht kommen, weil sie krank oder gestört sind, sondern weil sie an einer echten oder vermeintlichen Krankheit bzw. Störung leiden. Erst das Leiden verwandelt ein „Faktum brutum“ in ein subjektiv bedeutsames Phänomen und ein menschliches Existential, in dem sich das „Seinkönnen“ des Menschen, nämlich sich zu sich selbst verhalten zu können, also seine Freiheit, konstituiert. Daraus folgt, daß nur der wirklich „Menschenarzt“ und „Menschentherapeut“ sein kann, der weiß, was Leiden ist – aus welchen Quellen es entspringt, wie es sich vollzieht und wohin es zielt. Die vorliegende Arbeit versucht darum, auf phänomenologisch-analytischem Wege erstens die motivationale und intentionale Grundstruktur und Grunddynamik des Leidens aufzudecken und zweitens die daraus sich entfaltenden Phänomene wie Not, Leidensdruck, Leidenswiderstand, Kon-flikt, Krise, Therapiemotivation, therapeutische Beziehung usw. zu bestimmen. Diese Grundstruktur des Leidens besitzt, wie eine diffizile Analyse beweist, einen „logisch festen Kern“, der sich als ein dynamisch-dialektisches Ja-Nein-Verhältnis fassen läßt. Aus ihm kann zwanglos ein „Kalkül“ von etwa zehn emotionalen, kognitiven und volitionalen Leidensgrundgestalten abgeleitet werden, mit denen der leidende Mensch anhebt, sein Leiden zu bewältigen. Auf dieser Basis werden Struktur, Funktion und Sinn der Phänomene Leidensdruck und Leidenswiderstand ermittelt, und es zeigt sich, daß sowohl mehrere Druckformen als auch mehrere Widerstandsformen unterschieden werden müssen, die sich in komplexer Weise wechselbedingen.