Tradition und Kontingenz
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Nach einem allgemeinen Verständnis konstituiert sich die Moderne durch einen Bruch mit der Tradition. Das damit einhergehende zunehmende Kontingenzbewusstsein als radikalisierte Erfahrung der Endlichkeit und Zufälligkeit alles Gegebenen war einerseits die VorausSetzung einer technischen Einstellung gegenüber dem Vorgegebenen. Andererseits, so wird befürchtet, gefährdet der sich steigernde Kontingenzdruck nach der ZerSetzung aller Orientierungsmuster nun die Grundlagen personaler, gesellschaftlicher und kultureller Identität. Die sich in allen gesellschaftlichen Lebens- und Funktionsbereichen ausbreitende Ungewissheit wird daher durchaus widersprüchlich wahrgenommen und beurteilt. Wird einerseits die Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Gewissheiten als Elemente einer Identitätspolitik gegen die moderne Bodenlosigkeit propagiert, so werden auf der anderen Seite die neu gewonnenen Möglichkeitsspielräume als Freiheitsgewinne für forcierte Modernisierungsprozesse begrüßt. Die in diesem Band versammelten Beiträge widersprechen solchen Gegenüberstellungen und abstrakten EntgegenSetzungen, die Tradition mit Sicherheit und Moderne mit Ungewissheit verbinden. Aus verschiedenen disziplinären Perspektiven betrachtet, wird das Verhältnis zwischen Tradition und Kontingenz als ein verschlungenes Differenzverhältnis erkennbar, das mit unterschiedlichen Verarbeitungsformen von Kontingenz verbunden ist. Moderne und Tradition unterscheiden sich dann nicht durch An- und Abwesenheit von Kontingenz, sondern durch verschiedene Umgangsformen mit ihr.