Das verfremdete Objekt in der Kunstpädagogik
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Eine frühe Form der Auseinandersetzung mit der Dichotomie von Fremdheit und Gewohnheit zeigt sich in der Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem veränderten Blick auf die Dinge des Alltags. Die 'Erfindung' dessen, was man heute unter dem Begriff Objektkunst subsumiert durch Duchamp und Picasso, waren erste Versuche, einem zunehmend oberflächlichen Blick auf die alltägliche Dingwelt, begünstigt durch die einsetzende Massenproduktion, entgegenzuwirken. Besonders das verfremdete Objekt, mit Man Rays protosurrealistischen Objekten in den Kunstkontext eingeführt, ist eine Werkform, die ganz zentral die Bewusstmachung und Erweiterung des Wahrnehmungsprozesses um eine individuelle imaginative Sinnkonstitution jenseits praktischer Interessen zum Ziel hatte und immer noch hat. Ausschlaggebend dafür ist seine charakteristische Gestalt, eine in praktischer Hinsicht unvereinbare Kombination von Gegenstandskomponenten, durch die es das Kriterium der Unbestimmbarkeit als Bedingung für seine Konstitution als Kunstwerk offen vorführt. In der ihm angetragenen Aufgabe eines kunstpädagogischen Mittels und als Idealtypus einer ästhetischen Praxis wurde und wird dem verfremdeten Objekt eine vielfache Erziehungsfunktion und damit pädagogische Zweckmäßigkeit zuerkannt, da es spezifische kunstpädagogische Zielvorstellungen wie Montagefantasie und Kreativitätsförderung, kritische Erkenntnisfähigkeit und Subversion, individuelle Sinnexploration, ästhetische Erfahrung und künstlerische Selbstentdeckung einzulösen vermag. Die allenthalben beobachtbare immer schnellere Transformation der Fremdheit der Kunst in eine alltägliche Vertrautheit, wie sie besonders im Produktdesign und durch den Siegeszug digitaler Bildverarbeitungsprozesse im Bereich der Werbegrafik zu beobachten ist, stellt die Frage nach der kunstpädagogischen Relevanz des verfremdeten Objekts in besonderer Weise.