Mehr als "Reden zum Fenster hinaus"
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Dem Vorwurf der Intransparenz durch verfälschte Kommunikation in Plenardebatten wird sich diese Arbeit aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive nähern: Mittels der Theorieansätze des Kommunikationswissenschaftlers Gerold Ungeheuer sollen kommunikative Prozesse im Plenarsaal ohne gleichzeitige Wertung beschrieben, ihre Abläufe und Funktionen erläutert werden. Des weiteren werden die öffentlichen Debatten zu ihrer Grundlage, der Alltagskommunikation, zurückgeführt, um sie im Hinblick auf generelle soziale Prozesse kommunikativer Ereignisse zu erklären, nicht etwa als Sonderfall der Kommunikation, der losgelöst von den Alltagsphänomenen erläutert werden könnte. Dabei soll gezeigt werden, dass der Idealtypus der vollkommen freien Wechselrede nicht erreicht werden kann, dass er zudem auch nicht der besseren Verständigung dienen würde. Jede Kommunikation ist Regeln unterworfen, an die sich Sprecher und Hörer halten müssen, um gegenseitige Verständigung zu ermöglichen. Diese Regeln sind Teil eines gemeinsamen Vorverständnisses, der Einstellung aufeinander hin zu einer Absprache, einem Konsens, den Sprecher und Hörer miteinander aufbauen und teilen, um überhaupt kommunizieren zu können. Durch Kommunikation wird der gemeinsame Konsens wiederum ausgehandelt und vermittelt, in öffentlicher Kommunikation als übergeordneter Sozialhandlung überprüft und bestätigt. Jede Gruppe entwickelt ihren Konsens durch Abgrenzung von anderen, mindestens von einem Dritten, dem gegenüber sie in öffentlicher Kommunikation ihren Zusammenhalt demonstriert. Dieser Dritte darf und kann an dem Konsens der Kommunikatoren nicht teilhaben. Öffentliche Kommunikation in Plenardebatten ist daher mehr als die reine Vermittlung politischer Entscheidungen an die Bürger: Sie bestätigt den gemeinsamen Konsens der Abgeordneten, die Gemeinsamkeit der Demokraten, sowie andere Gruppenkonsense verschiedener Untergruppierungen im Parlament. Diese Arbeit soll zeigen, dass die Überprüfung des Konsenses sowie die Unterwerfung unter seine Regeln nicht nur ein spezifisches Phänomen der Kommunikationsprozesse im Plenarsaal, sondern die Grundlage menschlichen Zusammenlebens überhaupt darstellt.