Zur Sozio- und Psychogenese der romantischen Liebesvorstellung in westeuropäischen Gesellschaften
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'Die Aufgabe der Sozialwissenschaftler ist es, die sich wandelnden Muster, die Menschen miteinander bilden, und die Natur dieser Bindungen, die Struktur dieses Wandels sich und anderen verständlich zu machen.' Mit diesem Zitat von Norbert Elias leitet Christoph Egen seine bemerkenswerte Arbeit 'Zur Soziound Psychogenese der romantischen Liebesvorstellung in westeuropäischen Gesellschaften' ein. Die Hauptthese dieser lebendigen Darstellung besagt, dass die romantische Liebesvorstellung 'kein starres anthropologisches Universalgut, sondern ein sozialer Prozess' sei. Diesem versucht er unter anderem mittels der Eliasschen Prozesssoziologie auf die Spur zu kommen, die er als einen guten Ausgangspunkt für eine noch weitgehend fehlende Soziologie der Gefühle betrachtet. Egen hat nicht nur Elias’ Publikationen sorgfältig hinsichtlich seines Themas ausgewertet, sondern auch dessen unveröffentlichten Nachlass. Diese Mühe hat gelohnt, wenn man beispielsweise an die außerordentlich hellsichtige Beschreibung der modernen Ehewandlungen durch Elias’ Großvater denkt: '›Zu meiner Zeit‹, sagte mein Großvater, ›sah eine Ehe aus wie ein niedriges Herdfeuer, das sich langsam erwärmt. Heute sieht sie aus wie ein loderndes Feuer, das sich langsam abkühlt‹.' Auch die Beobachtung, dass bei sehr ungleichen Machtbeziehungen 'oft genug das Aufbegehren, das Verlangen, sich widersetzen zu können, aus dem Bewusstsein verdrängt wird' ist ein schönes Fundstück aus den Archivalien. Der Autor zeigt konsequent Zusammenhänge gesellschaftlicher und psychischer Ereignisse. Kulturelle Verhaltensformen, zitiert er Vygotski, sind nicht einfach angeeignete Fertigkeiten, sondern strukturieren innere Beziehungsformen von Menschen. Sehr eng greifen hier Wirklichkeitsebenen ineinander, die im herrschenden Wissenschaftssystem analytisch sonst oft strikt getrennt behandelt werden. Insgesamt liegt hier eine Arbeit vor, welche die Eliassche Zivilisationstheorie von einer bisher wenig beleuchteten Seite zeigt und sie weiterentwickelnd anwendet. Hans-Peter Waldhoff