Traumwelt Altersheim

Was sich hinter den Türen eines Altersheims abspielt, bleibt den meisten Menschen verschlossen. Wer hierher kommt, fährt auf einer Einbahnstrasse bis zur Endstation seines Lebens. So auch meine Mutter, die dort nach vier Jahren im September 2008 verstarb. In diesen vier Jahren hatte ich traurige, nicht selten irritierende Erlebnisse mit meiner Mutter und anderen Mitbewohnern. Dann gab es aber auch wieder heitere Momente, bewegende Begegnungen und Situationen, bei denen ich nicht wusste, ob ich lachen oder weinen sollte. „Mama, was sagst Du denn da?“ Meine Mutter lebte zwar noch, aber nicht mehr in dieser, sondern in ihrer eigenen Welt. Fast alle Heimbewohner leiden früher oder später - altersbedingt oder ausgelöst durch eine Alzheimererkrankung - an Demenz. Für sie ist allerdings das Leben in Demenz oft einfacher zu ertragen als für ihre Angehörigen, wenn sich die Persönlichkeit des Vaters oder der Mutter schmerzhaft auflöst und im Dunkel verschwindet. „Mama, wo bist Du?“ Wer genau hinhört, der spürt, dass sich hinter der vordergründigen Demenz ganz reale Bezüge, Hoffnungen, Ängste oder nicht verarbeitete Lebenskatastrophen verbergen. Es handelt sich hier nicht um Hirngespinste, sondern um eine Art Tagträume, bei denen wie in einem Setzkasten reale Erfahrungen mit ihren Akteuren, ihren Handlungsebenen und Zeitschienen neu zusammengesetzt werden. Die kleinen Szenen, die ich aufgeschrieben habe, erinnern an diese ganz besonderen und oft vergessenen Menschen am Rande unserer Gesellschaft. Mama, ich danke Dir.