Sinnes Wandel
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Die vorliegende Autobiographie beinhaltet eine Auseinandersetzung mit den individuellen Dimensionen der deutschen Geschichte. Als Geschichte einer (klein-) bürgerlichen Familie thematisiert sie die Schwierigkeiten und Unsicherheiten, die der politische Wandel des 20. Jahrhunderts (Monarchie, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Westdeutsche Demokratie und DDR- Sozialismus) mit sich brachte. Dazu gehört insbesondere auch das Schweigen über die deutsche Barbarei. Christliche Werte, redliches Arbeiten und Autoritätstreue bestimmten die Kultur der Nachkriegszeit; Demokratie und ein Streben nach individueller Freiheit mussten erst gelernt werden. Der Protest der Studenten gegen die tradierten Werte, die Kritik an einem Beharren auf gesellschaftlichen Sekundärtugenden, kennzeichneten dagegen das politische Leben in der zweiten Hälfte der 60-er Jahre. Deutschland und seine Jugend waren auf der Suche nach Identität. Das Gewesene hatte sich diskreditiert, aber eine neue gesellschaftliche Ordnung war nicht sichtbar. So befasste man sich mit Theorien der Gesellschaft, die ein Mehr an Humanität versprachen, und präferierte eine Zusammenarbeit mit Institutionen, die sich nicht - oder nur wenig - schuldig gemacht hatten. Dies beinhaltete einerseits eine Beschäftigung mit sozialistischen Theorien und eine Beobachtung der Entwicklungen in der sozialistischen Welt, andererseits ein bevorzugtes Engagement in politisch zweckfreien Einrichtungen wie Universität und Kirche sowie gegebenenfalls eine organisatorische Bindung in sozialistischen Parteien oder emanzipatorischen Bewegungen. Die dargestellte Lebensgeschichte ist gekennzeichnet durch ein Leben in verschiedenen gesellschaftlichen Wirklichkeiten. Dazu zählen Tätigkeiten des Autors bei der Kirche, der staatlichen Administration sowie ein Engagement bei der Sozialdemokratischen Partei. Allerdings hat die Beschäftigung bei einer Einrichtung der Kirche die Glaubenszweifel des Autors verstärkt, aus der Mitarbeit in der Sozialdemokratischen Partei lernte er, dass weniger Solidarität als vielmehr Wettbewerb die Genossen-Kultur bestimmt, und der Dienst in der Verwaltung bestätigte die Annahme, dass die Bürokratie oft weit davon entfernt ist, dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit sowie den Werten der freiheitlich- demokratischen Grundordnung zu genügen. Das vorliegende Buch plädiert für einen Pluralismus der gesellschaftlichen Werte. Solange ein solcher Pluralismus nicht als Tugend begriffen und akzeptiert wird, und solange nicht die Mächtigen als Teil einer immer wieder statt findenden „Komödie des Daseins“ (Nietzsche) gesehen werden, ist es schwer, davon überzeugt zu sein, dass die Menschen aus den Fehlern ihrer Geschichte lernen.