Albert Camus als politischer Philosoph
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Camus wurde nicht erst zum 100. Geburtstag als jemand interpretiert, dem es um die allgemeine Lage des Menschen in der Welt ginge und der der modernen Kultur das einfache Leben vorziehe, also als ein literarisch orientierter Heidegger, konservativ und bodenständig. Doch Camus' Denken ist in die Probleme seiner Zeit verstrickt, die primär politischen Charakter haben. Bereits Der Fremde kritisiert eine präfaschistische Gesellschaft. Der Mythos von Sisyphos entwickelt unter Zensurbedingungen die Philosophie des Widerstands, nimmt Camus am Existentialismus teil, der sich eindeutig links positioniert. Doch eine kommunistische Orientierung lehnt er ab und entwirft in Der Mensch in der Revolte ein Gegenmodell zur proletarischen Revolution. Stattdessen orientiert er sich am seit der Moderne immer wieder sich auflehnenden Menschen und antizipiert damit die vielen Bürger- und Protestbewegungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute, denen es nicht mehr um die große Revolution, sondern um Emanzipation und Vielfalt geht. Wie Sartre und de Beauvoir macht er das Individuum verantwortlich für sein Leben und diagnostiziert dadurch politische wie private Spielräume, die den Vertretern religiöser und politischer Hierarchien und fester sozialer Institutionen – gleichgültig ob katholisch, kommunistisch, national oder liberal eingestellt – bis heute ein Dorn im Auge bleiben. Neben seinen philosophischen Arbeiten hat Camus herausragende literarische Werke geschrieben, die alle philosophische und politische Perspektiven bzw. das gesellschaftlich bedingte Leiden beredt werden lassen. Daher ist Camus politischer Philosoph in der Nähe von Theodor Adorno, Hannah Arendt und Michel Foucault. Sie tragen zu einer demokratischen Wende der politischen Philosophie bei, die die Hoffnung auf souveräne wie soziale Gewalt verabschiedet.