Morgenthau
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In der Edition Heiner Bastian liegt jetzt das achte Künstlerbuch Anselm Kiefers vor. Auch diese Publikation erprobt Werkideen und deren Transformation in Bilder. Das jetzt erscheinende Buch ist ein ferner Dialog mit einem Memorandum, das Deutschland einst in eine andere Welt verwandeln sollte. Im August 1944, neun Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Niederlage Deutschlands absehbar war, entwarf der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau (1891–1967) eine Denkschrift, die Deutschland in ein reines Agrarland umwandeln sollte, das nie wieder in der Lage sein würde, einen Angriffskrieg zu führen. Während der amerikanische Präsident Roosevelt den Morgenthau-Plan verwarf, wurde er nach Bekanntwerden in der nationalsozialistischen Diktion als Unterwerfung, ja Versklavung der Deutschen propagiert. In der Literatur wurde die Morgenthau-Denkschrift von einigen Autoren als Fiktion und Vision einer alternativen Topographie der Welt aufgefasst. In Anselm Kiefers Morgenthau-Darstellung ist der Plan ein Mythos. Der Künstler entwirft ein eigenes Bild der Mythographie: die magische Schönheit einer ungebrochenen Natur, über der ein mystisches Licht liegt. Kiefers Landschaften verwandeln das Motiv der einstigen irrealen Idee in Metaphern einer „Zeit der Frühe“, ähnlich Rimbaud’scher Phantasien.