Individualisierte Formgebung papierbasierter Halbzeuge
Autoren
Mehr zum Buch
Der Inhalt der vorliegenden Arbeit kann in drei Abschnitte unterteilt werden: Erweiterung des Materialverständnisses, inkrementelle Formgebung papierbasierter Halbzeuge sowie die Entwicklung und Charakterisierung papierbasierter Sandwichbleche. Das übergeordnete Ziel hierbei ist, die Einsatzgebiete von Papierbauteilen durch ein verbessertes Material- und Prozessverständnis zu erweitern, um so einen nachhaltigen Beitrag zur Reduzierung von erdölbasierten Produkten zu leisten. Zur Erweiterung des Materialverständnisses werden Zug- als auch Tiefungsversuche bei unterschiedlichen Feuchtegehalten durchgeführt. Die Versuche zeigen, dass sich in Abhängigkeit des Spannungszustands ein spezifischer, optimaler Feuchtegehalt in Bezug auf die maximal ertragbare Dehnung ergibt. So werden im Zugversuch die höchsten Dehnungen bei 20 % ermittelt, während im Tiefungsversuch unter biaxialer Beanspruchung der optimale Feuchtegehalt 10 % beträgt. Die Ursache für die Verschiebung ist die Interaktion des Fasernetzwerks unter biaxialer Belastung, wodurch die richtungsabhängigen, mechanischen Eigenschaften überlagert werden. Die maximale Dehnung ist, ebenso wie die Rückfederung des Materials, vom Feuchtgehalt und dem Spannungszustand abhängig. Die geringste Rückfederung tritt dabei bei den gleichen Feuchtegehalten wie bei denen der höchsten Dehnung auf. Durch eine der Prüfung vorgelagerte Komprimierung werden sowohl im Zug- sowie im Tiefungsversuch die ertragbaren Dehnungen erhöht und die Rückfederung reduziert. Im einachsigen Spannungszustand beträgt die Steigerung der Bruchdehnung bei nicht befeuchtetem Papier bis zu 75 %. Die Befeuchtung der Proben reduziert die Steigerung, da die für die Erweiterung verantwortlichen Poren im Fasernetzwerk bereits vor der Komprimierung mit Wasser gefüllt sind. Eine gezielte Kombination aus Komprimierung und Befeuchtung führt dennoch zu den höchsten Bruchdehnungen und ist dementsprechend zu verfolgen. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus den Versuchen zur Materialcharakterisierung wird, in dem für die inkrementelle Umformung von Papier entwickelten Versuchsstand, eine Gegendruckeinheit implementiert. Diese ermöglicht es, das Papier während des Umformprozesses zu komprimieren und somit die Prozessgrenzen zu erweitern. Die Versuche zur inkrementellen Umformung von Papier zeigen zudem, dass die Kontaktbedingungen zwischen Papier und Umformwerkzeug einen wesentlichen Einfluss auf das Umformergebnis haben. So führt die Verwendung von Kunststoffschichten ober- und unterhalb des Halbzeugs zu einer deutlichen Erweiterung der Prozessgrenzen, als auch einer optimierten Formhaltigkeit des Bauteils. Die, durch die orthotropen Materialeigenschaften hervorgerufenen Formabweichungen der Bauteile können zudem durch eine angepasste Prozessstrategie reduziert werden. Die durchgeführten Untersuchungen an papierbasierten Sandwichblechen zeigen, dass diese gegenüber den weitverbreiteten kunststoffbasierten Sandwichblechen, insbesondere im Bereich erhöhter Umgebungstemperaturen (bis 150 °C), einen wesentlichen Vorteil bei Druckbelastung aufweisen. Die Isolationswirkung der papierbasierten Sandwichbleche ist dabei nahezu identisch mit denen polymerbasierter Halbzeuge. Bei einseitiger Beschichtung eines mehrlagigen Papieraufbaus mit Aluminium wird zudem eine gute Umformbarkeit mittels inkrementeller Formgebung ermittelt.