Pazifismus passé?
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Wer heute den Pazifismus mit Füßen tritt, wird morgen entsetzt feststellen, daß er keine Argumente gegen die Barbarei mehr hat. Sibylle Tönnies' Polemik gegen den modischen Bellizismus ist ein kämpferisches Plädoyer für die zivile Gesellschaft. In den Kreisen, die sich ehedem als links bezeichneten, gab es einmal einen gut fundierten Pazifismus, dessen Aufschmelzen ein dramatischer Vorgang ist. Von der breiten Friedensbewegung quer durch alle Bevölkerungsschichten, die Anfang der achtziger Jahre mit Menschenketten und Sitzblockaden gegen den NATO-Doppelbeschluß protestierte, sind nur klägliche Reste geblieben. Angesichts der Greuel in Bosnien und Ruanda ist es schick geworden, der militärischen Intervention das Wort zu reden. Man muß nicht die totale Abrüstung oder Neutralität befürworten, um sich auf die Seite des Pazifismus zu stellen. Er ist eine notwendige, zivilisierende Kraft in einer hochgerüsteten, aber auch hochvernetzten Gesellschaft, die sich eine wachsende Bereitschaft zum Krieg nicht leisten kann. Die militaristischen Tendenzen einer Gesellschaft können nur durch eine starke pazifistische Gegenbewegung in Grenzen gehalten werden. Alle, die heute den Pazifismus lächerlich machen und diffamieren, machen sich nicht klar, wie dünn das Eis über der Neigung des Menschen zur Gewalt ist. Der Pazifismus ist nichts als öffentliche Meinung, ein zartes Kulturpflänzchen. Wer es niedertrampelt, zerstört die Grundlagen der Kultur.
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