Oppositionstheater in der Diktatur
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Wie lässt sich erklären, dass in den Jahren der Franco-Diktatur ein politisch Geächteter, den man 1939 als Bürgerkriegsgegner und Staatsfeind zunächst zum Tode verurteilt und schließlich nach sechsjähriger Gefangenschaft auf Bewährung entlassen hat, zum renommiertesten zeitgenössischen Dramatiker Spaniens avancieren kann? Und: Wie kann sich ein solcher Autor mit einem politisch hochbrisanten Œuvre auf heimischen kommerziellen Bühnen feiern lassen, während die allgegenwärtige Zensur andere Oppositionsdramatiker entweder entscheidend behindert oder aber völlig zum Schweigen bringt? Die Rede ist von Antonio Buero Vallejo, dem bis heute fraglos bedeutendsten spanischen Dramatiker seit dem Bürgerkrieg (1936-39), dessen Werk allerdings im europäischen Ausland trotz seines hohen künstlerischen Anspruchs auf enorme Rezeptionsschwierigkeiten gestoßen ist. Ein um so größeres Anliegen ist es dem Verfasser Heribert Härtinger, das Werk Buero Vallejos in seinem geschichtlichen und literarhistorischen Rahmen zu würdigen. An der Besprechung ausgewählter Dramen, die ihren Ausgang bei der posibilismo-Strategie des Autors nimmt und die sich deshalb im Schnittfeld zwischen innerliterarischen Fragen und sozio-historischer Literaturkritik bewegen muss, will er thematische Schwerpunkte in Buero Vallejos Spanienkritik aufzeigen, seine im Kontext der Zeit teils revolutionären dramatischen Gestaltungsmittel in ihrer Wechselbeziehung mit dem Tatbestand der Zensur charakterisieren und dabei deutlich machen, in welcher Weise der Dramatiker - unter konsequenter Ausnutzung seines wachsenden gesellschaftlichen Gewichts - im Kräftemessen mit den Zensoren immer mehr Terrain erobern konnte. Spekulative Aussagen über mögliche zensurtaktische Motivationen werden konsequent vermieden. Vielmehr wird die inhaltliche und formale Ambiguität von Buero Vallejos Tragödien in den Zusammenhang seines dialektischen Dramenkonzepts gestellt. Methodisch rekurriert die Studie u. a. auf das Zensurmodell der Freudschen Traumanalyse sowie auf die systematische Auswertung der Zensurdossiers, die heute im ehemaligen Archiv der franquistischen Ziviladministration einsehbar sind und teilweise im Anhang reproduziert werden.