Mythen der Kreativität
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Seit dem Beginn der Kultur wird die menschliche Schöpferkraft in Mythen und Erzählungen thematisiert. Das „schöpferische Potential“ des Menschen wird dabei immer wieder mit den Fortschrittsmetaphern „Kreativität“ und „Innovation“ beschworen, auf der anderen Seite aber auch – etwa im Hinblick auf die Möglichkeiten der Gentechnik – immer mehr gefürchtet. Antike wie moderne Mythen zeichnen ein durchaus heterogenes Bild in der Bewertung menschlicher Kreativität. Der antike Kulturheros wie auch das moderne Genie können Bewunderung und Verehrung erlangen, sie können aber auch – unbeschadet der Vorteile, die sie der Gemeinschaft erbringen – zum warnenden Exempel werden: die vorübergehende Suspendierung des kosmologischen Zusammenhalts bezahlt der menschliche Schöpfer in der Antike bisweilen mit unsäglichem Leiden – das moderne Genie verfällt dem Wahnsinn. Der vorliegende Band Mythen der Kreativität ist aus dem gleichnamigen, internationalen Symposium hervorgegangen, das 2001 an der Universität Heidelberg veranstaltet wurde. Im Zentrum der deutsch- und englischsprachigen Beiträge stehen vor allem drei Fragen, die in einem interdisziplinären Diskurs – von der Ägyptologie und Anglistik über die Literaturwissenschaft bis hin zur Soziologie – verhandelt werden. Ist das dialektische Verhältnis von Kreativität und Hybris charakteristisch für bestimmte Kulturen oder handelt es sich um eine anthropologische Grundkonstante? Unter welchen kulturellen Bedingungen wird Innovation als Hybris bewertet? Inwieweit ist noch die heutige Debatte um wissenschaftlichen Fortschritt bewusst oder unbewusst von archaischen Mythologemen der Kreativität geprägt? Es liegt in der Intention des Sammelbandes, die unterschiedlichen Aspekte der Kreativität und ihrer kulturellen und historischen Zusammenhänge vornehmlich im Hinblick auf die heutige Problematik von Fortschritt und Innovation zu diskutieren. Die Modelle des Schöpferischen werden in vier thematisch gegliederten Teilen von den altorientalischen Schöpfungsberichten über ihre verschiedenen literarischen Rezeptionsstränge bis hin zu den aktuellen Technologiedebatten verfolgt werden. Dabei steht immer wieder die Frage im Mittelpunkt, inwieweit und aus welchen Gründen Neuerungen als Fortschritt postuliert oder als Hybris verworfen werden. Mit dem Band soll versucht werden, die medizinisch-ethische Diskussion um die Entschlüsselung des Genoms mit einem kulturwissenschaftlichen Diskurs zu konfrontieren, der auch die mythischen Ursprünge unserer gegenwärtigen technologischen Wunschvorsstellungen einbezieht.