Die Sonette
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„Was man von dem Homer gesagt hat, es lasse sich dem Herkules eher seine Keule, als ihm ein Vers abringen, das läßt sich vollkommen auch von Shakespeare sagen. Auf die geringste von seinen Schönheiten ist ein Stempel gedruckt, welcher gleich der ganzen Welt zuruft: Ich bin Shakespeares! Und welche der fremden Schönheit, die das Herz hat, sich neben ihr zu stellen!“ Der das geschrieben hat, war Gotthold Ephraim Lessing, und man kann es als zeitlose Warnung nehmen, sich leichthin an und mit Shakespeare messen zu wollen. Das gilt besonders für zweisprachige Ausgaben, in denen die fremde Schönheit ja buchstäblich neben die Shakespeares, so mahnt Lessing, will „studiert“, nicht „geplündert“ sein. Studiert hat Richard Bletschacher seinen Shakespeare gewiß, jahrzehntelang, gründlich und mit Passion. Und wer seine Übertragungen der Sonette liest, wird feststellen, daß hier ein Übersetzer am Werk war, der sich nicht vor seinen Autor drängelt, ihn nicht modisch aufputzt oder ihm die eigenen Stilmarotten aufpfropft. Bletschachers Übersetzungen sind uneitel, formstreng und wortmächtig; in ihnen verbinden sich handwerkliches Können und poetische Ausdruckskraft.