Herman Melville
1. August 1819 – 28. September 1891
Herman Melville, geboren als Herman Melvill, (* 1. August 1819 in New York City, New York; † 28. September 1891 ebenda) war ein amerikanischer Schriftsteller, Dichter und Essayist.
Melvilles erster Roman Typee handelt von der Reise zweier Deserteure durch die Südsee. Der Abenteuerroman traf den Geschmack der Zeit, trotz seiner Kritik am Kolonialismus und der vorbehaltlosen Darstellung der Indigenen. Die Tantiemen für den nachfolgenden Roman Omoo ermöglichten ihm schließlich die Heirat mit Elizabeth Shaw. 1847 erschien der Roman Mardi und eine Reise dorthin. Melville selbst sah in seinem dritten Werk die Wende in seinem Schaffen. Das Südseeabenteuer entwickelt sich nach der Flucht zweier Seefahrer zur Seelenreise und Kosmogonie und endet in einer allegorischen Satire, in der er die Vergeblichkeit nationalstaatlichen Machtstrebens karikiert. Die zahlreichen Diskurse, das Anhäufen von Beschreibungen, die reiche sprachliche und stilistische Variation wie Schilderung seelisch-leiblicher Vorgänge, welche die Ausweglosigkeit und Absurdität aber auch Tragik des Handelnden zeigen, lassen die Totalität des Epos im modernen Roman wiederaufscheinen. In den zwei darauffolgenden Werken Redburn und Weißjacke oder die Welt auf einem Kriegsschiff wählte Melville das Schiff als Mikrokosmos. Obwohl er beide Werke wegen ihrer vermeintlich mangelnden sprachlichen Kraft später abwertete, nicht zuletzt aufgrund ihrer zum Vorgängerroman geringeren Innovationsdichte, können sie als Intensivierung wie Straffung seines Vorgängers gelesen werden. Im Gegensatz zu Mardi sind die Hauptfiguren nicht nur als Allegorien oder Stellvertreter von Ideen gezeichnet, sondern als Charaktere fassbar und in der weißen Jacke des namenlosen Matrosen fasst Melville erstmals das Symbol des Nichts wie später im Wal Moby Dick. Als maritime Romane gehören sie wegen ihres Realismus zu den zugänglichen Werken des Autors. Mit seinem Roman Moby-Dick oder der weiße Wal verfasste er in der Fabel einer Waljagd das tragische Epos vom Antihelden Ahab, der auf der Suche nach Vergeltung am Verursacher seines abgetrennten Unterbeines den Untergang wählt. Der Roman zählt zu den bedeutendsten Werken der US-amerikanischen Literatur und wird wegen seiner formalen und stilistischen Erneuerungen als Vorläufer zahlreicher erst im 20. Jahrhundert veröffentlichter Romane der klassischen Moderne genannt. Der Roman zählt zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Bereits mit Mardi und erneut mit Moby Dick blieb der finanzielle Erfolg aus. Dies war nicht zuletzt eine Reaktion auf seine erzählerische Eigentümlichkeit wie verwegene Themenwahl – der darauffolgende Eheroman Pierre oder die Doppeldeutigkeiten behandelt einen geschwisterlichen Inzest –, wenngleich seine Erzählungen, die 1856 unter The Piazza Tales erschienen von Zeitgenossen als literarische Leistungen gewürdigt wurden. Die sechs Erzählungen, darunter The piazza, Bartleby der Schreiber, Benito Cereno und The Encantadas zeigen Melville erneut als großen Erneuerer der US-amerikanischen Prosa und herausragenden Vertreter der Weltliteratur. 1857 erschien mit The Confidence-Man Melvilles letzter Roman. Der ehemalige Seefahrer musste bis zu seinem Renteneintritt wegen seines geringen Auskommens als Zöllner im New Yorker Hafen arbeiten. Im späten Alter verfasste er seinen ersten Gedichtband. Darauf folgte das Versepos Clarel und der Gedichtband John Marr and Other Sailors. Sein letztes Werk, die postum herausgegebene Novelle Billy Budd erlangte Weltruhm. Melvilles Lyrik, die ähnlich seinen mittleren und späten Romanen sich an dem poetischen Theorem der Blackness, einer Heroik in der Moderne sowie der Totalität des Epos orientiert und seelische Grenzbereiche wie Schmerz, Wahn, das Leiden wie Erlösungsverlangen thematisiert, wird der Hermetik zugeordnet. Herman Melville war das dritte von acht Kindern des von schottischen Einwanderern abstammenden Importkaufmanns Allan Melvill und der aus einer ursprünglich niederländischen Patrizierfamilie stammenden Maria Gansevoort Melvill. Auch Allan Melvill kam aus einer angesehenen Familie. Als Geschäftsmann zeigte er jedoch wenig Begabung. Um einen großbürgerlichen Lebensstil finanzieren zu können, verschuldete er sich erheblich. Sein Unternehmen in New York City ging 1830 in Konkurs, woraufhin er die große Familie als Verkäufer in einem Pelzgeschäft in Albany finanziell über Wasser zu halten versuchte. 1831 musste Herman die Schule verlassen. Der Vater starb, seelisch und körperlich erschöpft, ein Jahr später. Die Mutter änderte nach seinem Tode den Familiennamen in „Melville“. Herman arbeitete als kaufmännische Hilfskraft in einer Bank, als Gehilfe auf der Farm seines Onkels und half im Pelzgeschäft seines Bruders aus. Im Jahr 1839 heuerte Melville kurzzeitig als Decksjunge auf einem Postschiff der Route von New York nach Liverpool, England an. Danach versuchte er sich als Lehrer einer Grundschule in New York City, gab diese Stelle jedoch 1840 wieder auf und stach am 3. Januar 1841 in Nantucket an Bord des Walfängers Acushnet in See. Aber die Bedingungen auf der Fangfahrt in den Pazifik erschienen Melville als so unzumutbar, dass er 1842 beim ersten Zwischenhalt auf der Insel Nuku Hiva (Marquesas) „desertierte“. Er entfloh gemeinsam mit dem Matrosen Richard Tobbias Greene durch die Berge, um das Tal von Taipivai zu erreichen, wo sie von den Typees, einem Insulaner-Stamm, gefangen genommen wurden. Nach einigen Tagen gelang Greene die Flucht aus der Gefangenschaft, während der am Bein verletzte Melville vier Wochen lang das Leben des Stammes beobachtete. Seine Erlebnisse ließ er in die 1848 veröffentlichte Erzählung Typee einfließen. Melville entkam auf dem australischen Walfänger Lucy Ann aus Nuku Hiva und gelangte nach Tahiti. Dort wurde er wegen Teilnahme an der Rebellion auf der Lucy Ann verhaftet, konnte aber aus dem Gefängnis nach Moorea fliehen. Danach heuerte er als Bootssteuerer auf dem Walfänger Charles and Henry aus Nantucket an und ließ sich im April 1843 auf Hawaii wieder abmustern. Im August desselben Jahres heuerte er in Honolulu als einfacher Matrose auf der nordamerikanischen Fregatte United States an und kehrte, mit Zwischenaufenthalt in Peru, im Oktober 1844 nach Boston zurück. 1846 schrieb er seinen ersten Roman Typee, gefolgt von Omoo 1847. Beide Bücher fanden schnell Zuspruch bei ihren Lesern. In Boston heiratete Melville am 4. August 1847 Elizabeth Shaw. Sie bekamen zwei Töchter und zwei Söhne, von denen der ältere sich mit 18 Jahren das Leben nahm und der jüngere, Stanwix, mit 35 Jahren an Tuberkulose starb. Im Jahr 1849 reiste Melville nach England, um seinem Verleger die Manuskripte von White Jacket zu überbringen. Dabei unternahm er Abstecher nach Paris und ins Rheinland. Im Februar 1850 kehrte er nach New York City zurück. Im gleichen Jahr erwarben die Melvilles mit dem Geld des Schwiegervaters Shaw einen kleinen Bauernhof namens Arrowhead bei Pittsfield, Massachusetts, auf dem sie bis 1863 lebten. Das Gebäude ist heute als National Historic Landmark im National Register of Historic Places eingetragen. In dieser Zeit bestellte Melville den Hof, schrieb seine Bücher und hielt gelegentlich Vorträge über seine Erlebnisse im Pazifik. Ab 1856 wurde Melville von schwerem Rheuma geplagt und von seiner Familie und dem Schwiegervater zu einer Erholungsreise gedrängt, die ihn nach England, wo er den Schriftsteller Nathaniel Hawthorne traf, ans Mittelmeer und ins Heilige Land führte. Im Mai 1857 kehrte er zurück. Im Jahr 1860 segelte er auf dem Klipper Meteor unter dem Kommando seines jüngeren Bruders Tom nach San Francisco, Kalifornien. Obwohl er ursprünglich eine Weltreise geplant hatte, eilte er von dort mit einem Dampfer bald wieder zurück. 1863 verkaufte er den Hof in Pittsfield und siedelte nach New York über. Er konnte allerdings – obwohl bis zuletzt literarisch aktiv – ab den 1860er-Jahren nicht mehr von der Schriftstellerei leben. Deshalb nahm er 1866 eine Stellung als Zollinspektor im Hafen an, die er bis zu seinem Eintreten in den Ruhestand am 31. Dezember 1885 hielt. Herman Melville starb im Alter von 72 Jahren; sein Grab befindet sich auf dem Woodlawn Cemetery im New Yorker Stadtbezirk Bronx.