Wer ist Kalligaro? Ein Flaneur, ein Betrachter, ein Liebhaber seiner Stadt (Budapest), ein Freund ganz bestimmter Cafés und des Kognaks, ein Mann der Frauen. Ein höchst sonderbares, zwiespältiges Individuum; in der Provinz, der er entstammt, ebenso beheimatet wie in der Großstadt; ein Eremit; ein Erleidender historischer Verläufe. Krieg, Judenverfolgung, Diktatur und Reformdiktatur bringt er ebenso hinter sich wie die Wende zur Demokratie. Darin zugleich aber ein Handelnder: Dissident, Stadtplaner, Politiker, Dichter, Wortführer, Präsident verschiedener Akademien; ein Reisender zwischen New York, Berlin und Ky? to. Kurzum: In der Gestalt des Herrn Kalligaro begegnen wir einer neuen Spiegelung des György Konrád und seines Lebensweges. Aber anders als die linear erzählten Lebensläufe, die uns aus anderen Werken Konráds vertraut sind, splittert sich die neue Lebensgeschichte in einen Kosmos von mehr als 200 kurzen Erzählungen, Beobachtungen, Reflexionen, und so ist dieses Buch vieles zugleich: eine mosaikartig sich zusammensetzende Autobiographie, ein artistischer Selbstversuch, ein Aphorismenschatz, ein Vademecum der stoischen Lebenskunst; eine Zeitreise zwischen Gestern und Morgen, ein Geschichts- und Geschichtenbuch des 20. Jahrhunderts; ein Buch der Epiphanien, eine musikalische Komposition. Ein Reflexionsepos in der europäischen Traditionslinie von Rousseau, Rilke, Valéry, Pessoa und Benn. Vor allem aber: ein Buch des Lebens.
György Konrád Bücher
György Konrád war ein ungarischer Romanautor und Essayist. Seine Werke behandeln häufig Themen wie Identität, Schuld und soziale Unterdrückung, angesiedelt vor dem Hintergrund historischer und politischer Ereignisse. Konráds Stil zeichnet sich durch intellektuelle Tiefe und scharfe Beobachtung der menschlichen Psyche und sozialer Strukturen aus. Seine Schriften bieten den Lesern eine kritische Perspektive auf die moderne Gesellschaft und ihre komplexen Herausforderungen.







Ein König, vom Herrschen angewidert, verspürt plötzlich Lust, sich unter sein Volk zu mischen. Ein bekanntes Märchenmotiv. Nur ist der "König" diesmal ein Fürsorgebeamter und sein "Volk" die Klientel des Sozialamtes. An einem scheinbar normalen Arbeitstag besucht der Beamte die Wohnung von Selbstmördern, die dort ein Kind hinterlassen haben. Er beschließt, Beruf und Familie den Rücken zu kehren und bei dem Kind zu bleiben. Die Sorge für dieses Kind soll ihm Eintritt verschaffen in die Gesellschaft, über der er bisher gestanden hat. Der das Elend verwaltete, entschließt sich, das Elend zu teilen. Seine Revolte währt indes nicht lange. Er bekommt Besuch von seinem Stellvertreter im Amt, der ihm schließlich mit geschlossener Anstalt droht. Der "König" kehrt heim: "Ich bin kein Märtyrer. Ich habe Angst." Sein mühsam kaschierter Rückzug verrät, daß hier jemand ein Besucher bleiben möchte, der sehr genau weiß, daß er eigentlich kein Besucher mehr sein darf, sondern zu handeln hat.
György Konrád wurde am 2. April 1933 in der Nähe von Debrecen als Sohn einer jüdischen Familie geboren. 1944 entging er nur knapp der Verhaftung durch Nationalsozialisten und ungarische Pfeilkreuzler, die ihn ins Konzentrationslager Auschwitz deportieren wollten. Mit seinen Geschwistern floh er zu Verwandten nach Budapest, wo sie unter dem Schutz der Helvetischen Konföderation lebten. Diese Erfahrungen schilderte er in seinen Büchern Heimkehr und Glück. Konrád studierte in Budapest Literaturwissenschaft, Soziologie und Psychologie bis zum Ungarnaufstand 1956. Von 1959 bis 1965 arbeitete er als Jugendschutzinspektor und veröffentlichte erste Essays. Ab 1965 war er Soziologe für Städtebau am Budapester Institut und Planungsbüro. Sein Romandebüt erschien 1969. Nach dem Erfolg seines Erstlingswerks widmete er sich der literarischen Arbeit und plädierte in seinen Essays für ein friedliches Mitteleuropa. Als Demokrat und Dissident zählte er neben Václav Havel und Milan Kundera zu den bedeutendsten Stimmen vor 1989. Zwischen 1978 und 1988 durfte er nicht publizieren und reiste stattdessen durch Westeuropa, Amerika und Australien. Das Publikationsverbot wurde 1989 aufgehoben.
Glück
Roman
"Am 19. März 1944, als die Deutschen Ungarn besetzten, war ich elf Jahre alt. Wovor wir bisher nur Angst gehabt hatten, war nun eingetreten." Lakonisch und ausdrucksstark erzählt Konrád György von einer jüdischen Kindheit in Ungarn währen des Zweiten Weltkriegs.
Der Komplize
Roman. Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke
Hier sitzt er, der Erzähler, im Alter von fünfundfünzig Jahren, auf der Bank im Garten einer kleinen Nervenheilanstalt. Vor Jahresfrist wurde er zur zwangsweisen Behandlung eingeliefert; doch diese Maßnahme, diese Form einer Endstation, ist ihm gar nicht unwillkommen gewesen. Er denkt über seine Geschichte nach: Jugend, Heirat, Verhaftung; die Teilnahme am Krieg: als Soldat, Partisan, Gefangener, Spion, sowjetischer Offizier und Sieger; als Propagandist nach dem Krieg, in der Zeit des Deliriums im Jahr 1949, Mitwirkender am Ausbau der totalen Macht; als Chef der Politischen Polizei. Hier endet der Aufstieg, der Weg führt in die Folterkammer, zum Todesurteil. In den sechziger Jahren beginnt er mit gesellschaftlichen Forschungen; seine Position festigt sich, das Leben wird angenehm, er reist ins Ausland. Seine Arbeit aber zieht die Aufmerksamkeit der Geheimpolizei auf sich; nach der Haussuchung folgt die Verhaftung. Die alles überdenkt er.
Ein Fürsorgebeamter, angewidert von seiner Rolle, mischt sich unter die Klientel des Sozialamtes und kümmert sich um ein Kind, dessen Eltern Selbstmörder waren. Doch seine Revolte gegen das System endet schnell, als er mit Drohungen konfrontiert wird. Er erkennt, dass er nicht länger nur ein Beobachter sein kann.
Steinuhr
Roman
Ein kriminalistisch angelegter Lebensroman. Janos Dragoman ist ein romantischer Abenteurer; seinen Sehnsüchten gibt er nach, unterwirft sich in seiner Lebensfreude keinen Zwängen. Im Rentenalter sucht er nach einem Zuhause, der Wanderer ist einsam, es verlangt ihn nach Zuneigung. Doch dann stellt das Schicksal ihm eine Falle: Drei Morde wider Willen begeht er. Dragoman bestraft sich selbst - mit Schweigen, Geisteskrankheit, einem simulierten, stummen Selbstmord.


