Lama Tsultrims spiritueller Weg wurde tief von ihrer Großmutter, einer an der Harvard University ausgebildeten Philosophin, beeinflusst, die ihr im Alter von fünfzehn Jahren ihr erstes buddhistisches Buch schenkte. Diese frühe Begegnung entfachte eine lebenslange Hingabe an buddhistische Lehren, die sie nach ihrem Universitätsstudium zu ausgedehnten Reisen nach Nepal und Indien führte. Sie wurde die erste Amerikanerin, die von seiner Heiligkeit dem Karmapa ordiniert wurde und den Namen Karma Tsultrim Chödron erhielt. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Vermittlung der tiefgreifenden Weisheit und Praxis des Buddhismus und betont dessen transformative Kraft für das Individuum und die Welt.
Dakinis sind Himmelstänzerinnen, mythische Geistwesen mit wechselndem
Temperament. Sie stärken die weiblichen Kräfte in uns - jene Qualitäten, die
wir in Zeiten wie diesen besonders dringend brauchen, um uns selbst und die
Erde zu heilen. Lama Tsültrim Allione, eine der bekanntesten tibetisch-
buddhistischen Lehrerinnen im Westen, zeigt uns darüber hinaus, wie die
Dakinis uns helfen können, wann immer wir Mut und Durchhaltevermögen brauchen.
Und wie sie uns sogar bei alltäglichen Problemen wie
Entscheidungsschwierigkeiten oder Aufschieberitis zur Seite stehen. Durch
kraftvolle, jedoch leicht erlernbare Meditationstechniken können wir uns mit
den Dakini-Kräften verbinden und sie zu machtvollen himmlischen Begleiterinnen
machen.
MEINE LEBENSSPIRALE I§Die Wurzeln dieses Buches reichen zurück bis zu meiner
Großmutter mütterlicherseits, Frances Rousmaniere Dewing, die mir, als ich
fünfzehn Jahre alt war, ein Buch mit Zen-Gedichten schenkte. Sie war auf ihre
Weise und in ihrer Zeit eine von Weisheit erfüllte Frau. Als vierte Frau in
der Geschichte hatte sie ein Doktorat des Radcliffe-College erhalten. Ihr
Gebiet war Philosophie, und sie war eine Freundin von William James und Khalil
Gibran, der sie sehr bewundert und ein Porträt von ihr gemalt hat.§Sie war
eine Freidenkerin und plante nicht, sich zu verheiraten, denn sie hatte sich
entschlossen, sich ganz und gar einem intellektuellen Leben zu widmen. Sie
lehrte am Wellesley-, am Mount-Holyoke- und am Smith-College und wurde von
ihren Studenten so innig geliebt, dass diese sie noch besuchten, als sie schon
hoch in den Achtzigern war. Sie begegnete meinem Großvater, Arthur Stone
Dewing, bei einem philosophischen Seminar, als sie beide mit Studienarbeiten
zu ihrer Doktorarbeit befasst waren, aber erst sechs Jahre später, als meine
Großmutter fünfunddreißig Jahre alt war, traf sie die schwere Entscheidung,
ihren Beruf aufzugeben und zu heiraten. Damals blieb den Frauen ja nichts
anderes übrig, als zwischen Ehe und Beruf zu wählen. Mein Großvater war
ebenfalls ein Philosoph, und zudem ein finanzielles Genie und eine sehr
exzentrische Persönlichkeit. Er pflegte sich am Telefon mit einem Krähen wie
ein Hahn zu melden; er trug Schlangen in seinen Taschen mit sich herum, hielt
sich Krokodile in der Badewanne, Schildkröten im Hinterhof und schenkte meiner
Mutter einen Bären als Schmusetier.§Sie hatten drei Töchter, Mary, Abigail und
Ruth. Meine Mutter, Ruth, die jüngste Tochter, teilte die Liebe ihrer Mutter
zu Ideen und ihren unabhängigen Geist. Sie wanderte mit einer Freundin durch
ganz Südrussland, als sie neunzehn Jahre alt war, und ein paar Jahre später
machte sie ihren Pilotenschein und arbeitete dann in der gewerkschaftlichen
Tarifvermittlung.§Sie gab einen faszinierenden Beruf im Gewerkschaftsbereich
auf, um meinen Vater zu heiraten, den Herausgeber einer Kleinstadtzeitung, und
um Kinder zu bekommen. Es gelang ihr, auch meiner Schwester, meinem Bruder und
mir die Liebe zu geistigen Abenteuern einzupflanzen und uns ein Gefühl für
Kunst und Schönheit zu vermitteln. Ich glaube nicht, dass ihr der Entschluss
zur Ehe leicht gefallen ist. Denn ich erinnere mich an ihre verzweifelten
Versuche, an unserem chaotischen Esstisch so etwas wie eine 'gehobene
Konversation' durchzusetzen. Obwohl wir damals alle über sie lachten, ist mir
heute klar, dass dieser Versuch ein Zeichen für ihre Sehnsucht nach geistiger
Nahrung war.§Ich vermute, dass es bei diesen Frauen in meiner 'Linie' kein
Wunder ist, dass ich im Alter von neunzehn Jahren meine Universitätsstudien
aufgab und mich auf eine planlose geistige Suche machte, die mich schließlich
dahin führte, dieses Buch zu schreiben.§Im Juni 1967, neunzehn Jahre alt, flog
ich mit meiner Freundin von der Universität von Colorado und spirituellen
Schwester, Victress Hitchcock, von San Francisco nach Hongkong, um ihre Eltern
zu besuchen, die damals zum diplomatischen Corps von Kalkutta gehörten. Wir
reisten per Schiff von Hongkong nach Bombay, und dort wurden wir von kleinen
Booten zur Küste gebracht, wo sie uns am Fuß einer langen Flucht von breiten
Steintreppen absetzten. Als ich diese Stufen hinaufschritt, fühlte ich, dass
ich endlich an dem Ort angekommen war, wo ich wahre Weisheit finden
würde.§Während des Monsuns blieben wir bei Victress' Eltern in Kalkutta. Ihr
Vater war der Generalkonsul, und seine Frau Maxine arrangierte für uns einen
Volontärplatz in Mutter Teresas 'Waisenhaus und Heim für ledige Mütter'. Sie
hoffte, dass uns diese Art von Arbeit die Phantasien über den 'mystischen
Osten' austreiben und uns auf einen akzeptableren Weg führen würde; aber dann
schickte sie uns nach Kathmandu, um mit tibetischen Flüchtlin