Michael Chabon
24. Mai 1963
Michael Chabon (* 24. Mai 1963 in Washington, D.C.) ist ein amerikanischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Fernsehproduzent. Für seinen Roman Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay erhielt er 2001 den Pulitzer-Preis in der Kategorie „Fiktion“. 2015 wurde dieser Roman von der BBC-Auswahl der besten 20 Romane von 2000 bis 2014 zu einem der bislang bedeutendsten Werke dieses Jahrhunderts gewählt.
Chabon wurde am 24. Mai 1963 als Sohn Sharon und Robert Chabons in Washington D.C. geboren. Seine Eltern hatten polnische, litauische und russische Wurzeln. Zudem ist er jüdischer Abstammung. Chabons Vater war von Beruf Anwalt und Kinderarzt und arbeitet heute für das Versicherungsunternehmen Mutual of Omaha. Chabons Mutter war Anwältin. Gemeinsam mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder wuchs er in Columbia, Maryland auf. Im Alter von zehn Jahren begann Chabon mit dem Schreiben erster Geschichten. So hieß seine erste Kurzgeschichte „Sherlock Holmes meets Captain Nemo“, die er auf der Schreibmaschine seiner Mutter tippte. Zu seinem eigenen Erstaunen beendete er sie. Er selbst sagt zu seinem ersten Gehversuch auf diesem Gebiet: „Ich versuchte, im Stile Arthur Conan Doyles zu schreiben. Ich wurde mir das erste Mal über Stil, Wortwahl, Sprache und Ausdrucksweise im Klaren.“ Neben dem Schreiben war das Lesen von Comics eines von Chabons Hobbys in seiner Kindheit. Sein Großvater hatte in einer New Yorker Druckerei gearbeitet, wo unter anderem Comics gedruckt wurden, die er wegen seiner dortigen Tätigkeit kostenlos bekam und seinem Sohn, Robert Chabon, oft taschenweise mitbrachte. Michael Chabon erhielt deshalb von seinem Vater auch zahlreiche Comics. Chabon sagte dem „Onion A.V. Club“ im Jahr 2000 dazu: „Als ich anfing, zu lesen, dachte mein Vater wohl, es sei nur natürlich, dass ich auch Interesse an Comics haben müsste, und er begann, mir Comics zum Lesen mitzubringen, obwohl er sie nicht kostenlos bekam.“ Ebenfalls im Alter von zehn Jahren gründete er einen Comicclub, wofür er extra einen Raum für 25 Dollar mietete und Anzeigen in der Zeitung aufgab. Nur ein Kind schaute vorbei, verschwand kurze Zeit danach jedoch wieder. Im Oktober 2005 schrieb Chabon in einer Ausgabe der Zeitschrift Details: „Das war der Moment, in dem ich begann, mich selbst als Versager zu betrachten. Das ist eine Eigenschaft, die ich seitdem nicht verloren habe.“ Als er elf Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Im darauf folgenden Jahr zog sein Vater nach Pittsburgh, wo Chabon fortan seine Ferien verbrachte. In der Highschool begann er seine umfangreiche Comicsammlung, die vorrangig DC- und Marvel-Comics beinhaltete, zu verkaufen, um sich Schallplatten leisten zu können. In dieser Zeit entwickelte er großes Interesse an der Band Queen. Nach eigener Aussage sei er in der Highschool ein braver Junge gewesen, der sich aus Alkohol und Drogen nichts gemacht habe. Im College begann er zu rauchen, zu trinken und Cannabis zu rauchen, was er jedoch nicht als jugendliche Rebellion betrachtete, weil er nicht zu Hause gewesen sei. 1984 erreichte Chabon den Bachelor of Arts in Englisch an der University of Pittsburgh. Er wurde von Dennis Bartel, Eve Shelnutt und Chuck Kinder unterrichtet, wobei er mit Kinder eine enge Freundschaft schloss. Später besuchte er die University of California, Irvine. Er wählte den Studiengang „Kreatives Schreiben“, um die Zeit und die finanzielle und moralische Hilfe zu finden, die nötig war, eine Schriftstellerkarriere zu beginnen. 1987 absolvierte er den Master of Fine Arts in „Kreativem Schreiben“ mit einer Arbeit, die seinen Professor MacDonald Harris derart beeindruckt hat, dass er das Manuskript ohne Chabons Wissen seinem Agenten gab. Der konnte Chabons Abschlussarbeit, „Die Geheimnisse von Pittsburgh“ für 155.000 Dollar an William Morrow Publishers verkaufen. Seine Abschlussarbeit, die er 1985 mit 22 Jahren begonnen hatte, brachte Chabon schließlich 1988 seinen ersten Bestsellererfolg ein. Da die Geschichte von sexueller Orientierungslosigkeit und Homosexualität handelte, wurde vielfach angenommen, es handele sich hierbei um Chabons eigene sexuelle Orientierung. Dies hatte zur Folge, dass Chabon von der Zeitschrift Newsweek irrtümlicherweise in eine Liste schwuler Autoren aufgenommen wurde. Dieser Irrtum sei ihm aber keineswegs hinderlich. So sagte er der New York Times: „Ich bin sehr glücklich darüber. Es eröffnete mir eine neue Leserschaft, und noch dazu eine sehr loyale.“ Aufgrund der in „Die Geheimnisse von Pittsburgh“ beschriebenen Adoleszenz des Protagonisten wurde von zahlreichen Kritikern der Vergleich mit J.D. Salingers Meisterwerk Der Fänger im Roggen und Werken Francis Scott Fitzgeralds gesucht. Nach dem Erfolg seines ersten Buches, begann Chabon 1987 sein nächstes Buch mit dem Titel „Fountain City“. Das von ihm mit etwa 200 Seiten eingeschätzte Buch hatte nach fünf Jahren Arbeit einen Umfang von etwa 800 Seiten erreicht. Chabon kamen immer mehr Zweifel über die Realisierbarkeit des Buches, doch er wurde von seinem Lektor bei William Morrow Publishers, Douglas Stumpf, immer wieder angetrieben, das Buch zu vollenden. Doch mit den Jahren geriet das Buch immer mehr außer Kontrolle und Chabon beschloss das Projekt unvollendet zu lassen. Das Buch hätte von einem Architekten gehandelt, der in Florida ein revolutionäres Baseballstadion kreieren wollte. Aus Angst ein One-Hit-Wonder gewesen zu sein, verarbeitete er seine Erfahrungen in seinem zweiten Roman „Wonder Boys“, der 1995 erschien. Während seiner Arbeit an „Fountain City“ veränderte sich einiges in Chabons Privatleben. Er zog in sechs Jahren fünfmal um und ließ sich 1991 von seiner Ehefrau Lollie Groth scheiden. In seiner 1997 veröffentlichten Kurzgeschichte „The hand on my shoulder“ schrieb er über die Zeit mit Groth folgendes: „Meine Exfrau und ich hatten gute Zeiten und schlechte Zeiten, kämpften und waren still, versuchten und gaben auf und versuchten mehr, bevor wir das Handtuch warfen, fokussiert, mit der besonderen Selbst-Absorption des Miserablen, auf unser kleines Drama und dessen Echo in unseren eigenen Brüsten.“Er lebte mit einer anderen Frau zusammen, ehe er 1992 Ayelet Waldman bei einem Blind Date kennenlernte. Waldman wusste von Chabons Ruf und erzählte der LA Times: „Als er sich zeigte, sagte ich: ‚Vielen Dank für die Blumen. Bist du schwul?’“ Drei Wochen später machte Chabon ihr einen Heiratsantrag. Ein Jahr später heirateten sie. Mit ihr und den vier gemeinsamen Kindern Sophie, Ezekiel Napoleon (Zeke), Ida-Rose und Abraham lebt Chabon heute in Berkeley, Kalifornien. „Wonder Boys“ wurde von der Kritik positiv aufgenommen und erfuhr zahlreiche wohlwollende Beurteilungen. Jonathan Yardley von der Washington Post beendete seine ebenfalls positive Rezension von „Wonder Boys“ jedoch mit den Worten: „Es ist Zeit für ihn weiterzugehen, sich von der Ich-Perspektive loszureißen und größere Worte auszukundschaften. Seine Lehrzeit ist vorbei; sie war brillant, aber die noch ungeschriebenen Bücher sind diejenigen, in denen wir lernen werden, wie weit dieser einzelne Schriftsteller gehen kann.“ Diese Aufforderung Yardleys entsprach auch Chabons Motivation. Er arbeitete an einer umfangreicheren Geschichte über zwei jüdische Cousins, die in der Goldenen Ära des Comics ihren Comichelden, den Eskapisten, etablieren. Er arbeitete die nächsten fünf Jahre an diesem Buch. Er fürchtete wegen der Länge, es könnte ein ähnliches Ende nehmen wie bei „Fountain City“, doch er vertraute der Geschichte. Im Herbst 2000 veröffentlichte er „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“. Das Buch erfuhr die positivsten Kritiken, die bislang ein Chabon-Werk erhalten hatte. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den PEN/Faulkner Award und den Pulitzer-Preis 2001 in der Kategorie „Fiktion“. So wie ihm „Die Geheimnisse von Pittsburgh“ einen großen Kreis homosexueller Leser eröffnet hat, tat sich nun eine große Anzahl comicbegeisterter Leser auf. Er war fortan Gast auf Comic-Kongressen und erhielt von DC-Comics das Angebot, seinen Helden, Mr. Terrific, als Comic zu veröffentlichen. Bei Dark Horse Comics wurde eine Comicserie mit dem Eskapist ins Leben gerufen, die Michael Chabon Presents: The Amazing Adventures of the Escapist genannt wurde. Nach „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“ veröffentlichte Chabon das Kinderbuch „Sommerland“, womit er Neuland betrat. Die fantasievolle Geschichte wird oft mit den Harry-Potter-Büchern verglichen, war aber wesentlich erfolgloser. „McSweeney's Mammoth Treasury of Thrilling Tales“ ist eine von ihm zusammengestellte Sammlung an Kurzgeschichten. Auch für den Nachfolger „McSweeney's Enchanted Chamber of Astonishing Stories“ war er verantwortlich. 2004 veröffentlichte Chabon „Das letzte Rätsel“, ein Roman über den letzten Fall Sherlock Holmes’, der 89-jährig seinen Ruhestand mit dem Züchten von Bienen verbringt, allerdings einem rätselhaften, stummen Jungen begegnet, der einen sprechenden Papagei mit sich führt. Seinen nächsten Roman veröffentlichte Chabon 2007 unter dem Titel „Die Vereinigung jiddischer Polizisten“, dessen Verfilmung kurz darauf von Filmproduzent Scott Rudin angekündigt wurde. Seit seinem Erfolg mit „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“ im Jahr 2000 hat Chabons Karriere einen steilen Aufschwung erfahren. So wurde ihm 2005 die Ehre zuteil, The Best American Short Stories 2005 zusammenzustellen. Zudem schreibt er regelmäßig Kolumnen für die Zeitschrift „Details“. Chabon wirkte bei einigen Hollywood- und TV-Produktionen mit. So hat er einen Drehbuchentwurf zu Spider-Man 2 abgeliefert, von dem ein Drittel in den Film mit eingeflossen ist. Sein Drehbuch zu seinem Erfolgsroman „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“ wurde schon einige Male durchgesehen, allerdings steht noch kein genauer Produktionsbeginn fest. In einem Interview mit The Onion erklärte Chabon, dass er das Drehbuchschreiben mehr aus finanziellen als aus künstlerischen Gründen begonnen habe: „Die Probleme, die du als Schriftsteller hast, haben damit zu tun, den Lebensunterhalt zu bestreiten und zu versuchen, Wege zu finden, das Einkommen, das man durch das Schreiben von Büchern hat, zu ergänzen. In meinem Fall hatte ich die Möglichkeit mit dem TV-Kram, den ich machte, in Hollywood zu arbeiten. Und das ist sehr wichtig, weil meine Frau auch Schriftstellerin ist, und wir keine Gesundheitsversicherung durch einen Arbeitgeber haben. Deshalb kommt unsere Versicherung aus der Schriftstellerzunft, also kann ich die Gesundheit meiner Familie nur durch das Arbeiten in Hollywood gewährleisten.“ Chabon fügte hinzu, dass er viel lieber den ganzen Tag Romane schreiben würde. Dennoch wird seine Arbeit in Hollywood durchaus gewürdigt. So urteilte der Filmkritiker Roger Ebert über den zweiten Spider-Man-Film: „Einer der Schlüssel zum Erfolg des Films muss die Mitwirkung des Schriftstellers Michael Chabon am Drehbuch sein; Chabon hat es im Blut, was Comics sind, und warum.“