Bärenland
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In Wolfgang Bittners Kanada-Gedichten erfahren wir mehr über dieses vielfältige Land mit seinen Millionenstädten und tausenden Quadratkilometern unberührter Wildnis als in vielen Reiseführern und Länderkunden. Wort für Wort macht der Autor uns sehend. Die erniedrigten und enteigneten Ureinwohner tauchen ebenso auf wie die legendäre Goldgräberstadt Dawson City oder die Geisterstadt Fortymile. Wir erleben die Normalität der kleinen Ortschaften zwischen Vancouver und Whitehorse: Tankstelle, Motel, Supermarkt, ein paar Holzhäuser und Menschen mit Wohnmobilen auf der Durchreise, die ihre Geschichten mitbringen und andere Geschichten mitnehmen. Bittner, der mit indianischen, kanadischen und deutschen Freunden oft monatelang in der Wildnis gelebt und die großartige Natur erlebt hat, nennt seinen Kanada-Gedichtezyklus nicht umsonst „Bärenland“ sind doch diese scheuen Riesen der sensibelste Indikator dafür, daß es in Kanada auch heute noch weitergeht hinter dem Horizont der Zivilisation. Wolfgang Bittners Gedichte sind so unprätentiös, daß sie auffallen müssen im Lande der denkenden Dichter und dichtenden Denker. Wenn er die Wahl hat, entscheidet er sich für das einfachere Wort. Alles, was er sagt, ist konkret, gesättigt mit Erfahrung, denn er ist seinen Träumen nachgereist und kann statt Beschwörungen Authentizität bieten. So ermöglicht er den Lesern seiner Gedichte unverstellte Blicke auf die Bilder, Szenen und Geschichten, die er in Kanada gefunden hat und in denen sich der ganze Glanz und das ganze Elend des menschlichen Le-bens spiegeln. Versuche über den geglückten Tag stehen neben meditativen Landschaftsgedichten und Zustandsbe-schreibungen menschlicher Zerstörungswut. Der Band wird beschlossen von „Nordland“ einem Langgedicht, das nicht nur Bittners eindrucksvolle Kenntnis des Landes belegt, sondern auch einen rhap-sodischen Sog entwickelt, mitreißend wie der Yukon River beim Einsetzen der Schneeschmelze im Mai. Leseprobe: NORDLAND // I / Der Strom fließt schon sehr lange / und immer nach Norden, / der Himmel ist hoch, / die Fichtenwälder dämmern, / die grünen Schilfgürtel, / du siehst Inseln und felsige Berge / aus dem strömenden Wasser steigen, / du läßt dich treiben. // Wenig Menschen in diesem Land, / sie sind hart und freundlich, / sie sind schweigsam, / sie sind geschwätzig, / sie brüsten sich mit fremden Taten, / du hast sie kennengelernt / in den Ortschaften / aus Supermarkt, Tankstelle, Motel, / auch die betrunkenen Indianer, / mit denen du leidest. // Dort brennt ein Lagerfeuer, / dort gehst du an Land und / hörst die alten Geschichten, / es gibt Fleisch für alle, / es gibt Fladenbrot und Kaffee, / jeder kann sich aufwärmen / vor dem tiefen Schlaf. / Die Sonne balanciert des Nachts / auf dem Horizont.