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Militärpsychiatrie im Nationalsozialismus

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Menschliche Emotionen werden in der Kriegsführung als Störfaktor angesehen - Soldaten haben zu funktionieren. Diese einfache Wahrheit galt besonders in den beiden großen Kriegen des zwanzigsten Jahrhunderts, an denen deutsche Armeen beteiligt waren. Doch während im Ersten Weltkrieg die große Anzahl von Soldaten, die an ihrer Situation im Kriegsgeschehen verzweifelten und psychisch erkrankten, das Sanitätswesen der kaiserlichen Armee überraschte und überforderte, war man zu Beginn des Zweiten Weltkrieges auf Kriegsneurotiker vorbereitet. Klaus Blaßnecks Arbeit untersucht das Schicksal dieser Kriegsneurotiker im Zeitraum von 1939 bis 1945. Die Behandlung von Kriegsneurosen in der Wehrmacht war lückenlos organisiert. Die psychisch kranken Soldaten durchliefen eine Behandlungskette, die von der Front bis in die Heimat reichte. Die Wehrmacht verfügte über spezialisierte Einrichtungen und setzte sogenannte Beratende Psychiater ein, die alle Armeeabschnitte beobachteten und psychisch auffällige Soldaten zu melden hatten. Ziel ihrer Arbeit war es, eine Ausbreitung von Kriegsneurosen durch militärtaktische und militärmedizinische Maßnahmen zu verhindern. Diese Kriegsneurotiker unterlagen nicht nur einer medizinischen Beurteilung, vielmehr spielten auch militärische und ideologische Einstellungen eine große Rolle. Über die Ursache dieser Neurose und ihre Behandlung gab es deshalb unter Fachärzten lebhafte Diskussionen. Verschiedene Behandlungsansätze konkurrierten miteinander. Soldaten im Heer wurden hauptsächlich mit Hilfe verschiedener Formen der Schocktherapie behandelt: Pharmakologische Heilverfahren wurden ebenso angewandt wie Stromschläge, letztere auch in Begleitung verbaler Suggestion als sogenanntes Elektrosuggestivverfahren. Über den körperlichen Zugriff sollte Befinden und Verhalten des psychisch dekompensierten Soldaten verändert werden. In der Luftwaffe dagegen favorisierte man vor allem psychotherapeutische Vorgehensweisen. Blieben diese Behandlungen ohne Erfolg und war der Soldat weiterhin durch neurotische Symptome kampfunfähig, so wurde er in sogenannte Sonderabteilungen überwiesen, in denen durch eine entsprechende Erziehung, verbunden mit disziplinarischen Maßnahmen und Sanktionen, eine Verhaltensänderung des Patienten erzielt werden sollte. Versagten auch diese Behandlungsoptionen, so waren alle medizinischen und militärischen Möglichkeiten erschöpft, und der Kriegsneurotiker wurde aus der Wehrmacht entlassen. Auf ihn warteten zivile Heil- und Pflegeanstalten oder Konzentrationslager. Auch wurden zahlreiche Kriegsneurotiker Opfer der sogenannten T4-Aktion: Sie fanden neben den psychisch kranken Zivilisten den Tod in den Vernichtungslagern des Dritten Reiches. Es blieb dem kriegsneurotischen Soldaten keine Möglichkeit zur Flucht, wenn die Kriegsumstände zu belastend für ihn wurden und er psychisch dekompensierte. Den Schockanwendungen und militärischen Sonderbehandlungen konnte er sich nur auf Grund körperlicher Beschwerden entziehen, die ihn der Behandlung von Internisten zuführten.

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2000

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