Über Häuser und Fruchtbarkeit
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Nordostindien - gelegen an der Schnittstelle von Südasien, Südostasien und Zentralasien - ist eine der ethnisch, kulturell und linguistisch heterogensten Regionen der Welt. Die politisch angespannte Lage in dem strategisch sensiblen Landesteil verhinderte jahrzehntelang ethnologische Forschungen und gestaltet sie bis heute schwierig. Die Auseinandersetzungen zwischen den für ihre Unabhängigkeit kämpfenden tribalen Minderheiten und der indischen Zentralregierung sowie interethnische Konflikte bestimmen die offizielle Rhetorik und das Bild der Region nach außen. Die beiden in diesem Band vereinigten Studien beschäftigen sich, jenseits dieses dominanten Diskurses, exemplarisch mit der Gesellschaftsordnung dreier ausgewählter Ethnien des indischen Nordostens: Garo, Khasi und Naga. Mit Bezug auf allgemeine ethnologische Theorien gelingt es den Autorinnen, die kolonialzeitlich verfassten Standardmonographien von ihrer Patina zu befreien und neue Interpretationen alter ethnographischer Texte zu liefern. Das Ergebnis ist eine Analyse sozialer Prozesse und Strukturen, die den Reichtum kultureller Konzepte veranschaulicht und indigene Werte und Ideen in den Mittelpunkt stellt. So zeigt Berit Fuhrmann wie die einst als Kopfjäger gefürchteten Bergbewohner des heutigen Nagalands mit der Kolonialisierung rigide in „Stämme“ klassifiz iert wurden, ohne dabei lokalen Kategorien der Zuordnung und den de facto sehr flexiblen Verhältnissen der sozialen und politischen Organisation Rechnung zu tragen. Anja Wagner revidiert ihrerseits die in der Ethnographie der Garo und der Khasi vorherrschende Konzentration auf deren matrilinearer Deszendenzordnung, indem sie die lokale Bedeutung von „Häusern“ herausarbeitet und die zentrale Relevanz von Heiratsbeziehungen demonstriert.