Zeitbilder
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»Der moderne Roman soll ein Zeitbild sein, ein Bild seiner Zeit.« Die vorliegende Studie versucht diese Aussage Theodor Fontanes ernstzunehmen, indem sie die klassischen Methoden der Literaturwissenschaft um eine sozial- und kulturgeschichtliche Perspektive erweitert. Im Blick auf die großen gesellschaftlichen Diskurse des späten neunzehnten Jahrhunderts versucht sie, die geschichtlich etablierten Strategien, die dem Individuum zur Deutung seiner Erfahrungen verfügbar sind, kritisch zu refl ektieren und auf Fontanes Texte zu beziehen. Dabei gelingt es zu zeigen, daß die Romane des Realisten als Wirklichkeitsmodelle gelesen werden können, an denen die Folgen dieser Strategien aus einer individuellen Erfahrungsperspektive heraus sichtbar werden. Die Einbettung der literaturwissenschaftlichen Arbeit in einen breiten Kontext historischer Reflexion erlaubt es schließlich, die genuine Leistung realistischen Schreibens für eine Erkenntnis der geschichtlichen Wirklichkeit herauszustellen. Fontanes Dichtung wird zu einem Mittel der Gegenwartserkenntnis, indem sie den Wirklichkeitsdeutungen, die sie vorfindet, eine innere Logik des Erzählens entgegensetzt, die das Erzählte in einen Sinnzusammenhang stellt, der es zu einem anschaulichen Argument der zeitkritischen Analyse werden läßt. In Fontanes Schreiben scheint so ein ethischer Aspekt des Erzählens auf, aus dem sich nicht zuletzt zu erklären vermag, warum die »Zeitbilder« des großen Realisten ihre Zeit überdauert haben.